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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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Tildon den freien Arm hoch und blinzelte. Doch konnte er außer
     lodernden Flammen und Funkenflug nur Schemen erkennen.
    »Es ist Tildon!«, sagte eine Stimme aus den Tiefen der Menge. »Er wohnt im Eckhaus.«
    »Also haben wir’s mit der Krone zu tun«, stellte eine andere Stimme fest. »Zu schade. Tild ist ein netter Kerl.«
    »Bist du das, Toby?«, fragte Tildon unsicher. »Was machst du hier? Was hat das alles zu bedeuten?«
    Er tat einen Schritt in jene Richtung, in der er sein Haus wusste – hinter der dicht gedrängten Leiberschar.
    Obgleich er den in sich zusammengesackten Papa an sich |231| hängen hatte, war er doch ein beeindruckend großer, durchtrainierter Mann, und tatsächlich wichen nicht wenige schattenhafte
     Gestalten vor ihm zur Seite.
    Das Heilige Zeichen – da war es schon wieder.
    Ein Stern mit vier Zacken! In seine brandneue Haustür geritzt!
    Ihm war, als würde man Eiswasser über ihn kippen; seine Gedanken rasten.
    Ein Stein zischte an seinem linken Ohr vorbei. Er hörte das Splittern von Glas. Eine Frau begann zu schreien.
    Shanna.
    Er riss die Augen auf, er verstand noch immer nicht, was hier geschah. Aber es war gefährlich. Außer sich, mit unwilligem
     Knurren, hielt er nach einer Stelle Ausschau, an der er Papa Wold ablegen konnte. Schatten wogten heran. Er lehnte den alten
     Mann gegen eine Hauswand, dirigierte ihn in eine sitzende Stellung. Die Pflastersteine unter ihm schimmerten wie mit Blut
     überzogen.
    Noch mehr Schreie.
    »Ich komme, Shanna!«, brüllte er und stürzte sich wie ein Rammsporn der Leibermasse entgegen. »Halt’ durch!«
    Der zweite Stein traf ihn an der Schulter, zwei Schritte vor seiner Haustür. Er fluchte und ruckte herum.
Eine Waffe. Er brauchte eine Waffe!
Blindlings schlug er in Schattengestalten hinein; Gesichtsknochen barsten, eine Fackel wurde lanzengleich nach ihm gestoßen.
     Das Brausen weißgelber Flammen war laut wie ein Sturm. Rote Funken brannten ihm auf der Haut. Ohne nachzudenken handelte er,
     packte zu. Im nächsten Moment schon hielt
er
die Fackel in der Hand und rammte sie dem Angreifer ins Gesicht. Wachsbleiche Haut, entsetzt aufgerissene Augen, Haare, die
     sofort Feuer fingen. Doch die Menge hinter dem Kerl schob und drückte. Gleich drei Gestalten warfen sich gegen seine Haustür
     und suchten sie niederzureißen.
    |232| »Wagt es nicht, ihr Aasgeier!«, brüllte er mit sich überschlagender Stimme. »Ich, Tildon Tarn, werd’ jeden töten, der durch
     diese Tür geht. Jeden!«
    Kurz schienen die Teufel in den vordersten Reihen zu zaudern. Tildon umfasste die Fackel mit beiden Händen.
    Aus der Tiefe der Nacht wirbelte etwas heran. Zwei Steine gleichzeitig. Der erste traf Tildon in Herzhöhe – ein schwerer Klotz,
     der ihn nach Atem ringen ließ. Der zweite krachte gegen seine Stirn, direkt über der linken Augenbraue. Er stürzte rücklings
     gegen seine Haustür, spürte das Zeichen des Heiligen Sterns wie Feuer durch seine Kleidung hindurch. Die nächsten Steine flogen
     heran. Noch während er zu Boden ging, meinte er mehrere ganz in schwarze Kapuzenmäntel gehüllte Gestalten zu sehen.
Allheiliger Vater Vertholdos
, dachte er.
Der Allehrwürdige, der in alter Zeit Pflastersteine hatte zuhilfe nehmen müssen, da es ihm verboten war, eine Waffe zu tragen.
    Schon einen Lidschlag darauf war alles vom Brausen und Lohen unzähliger Fackeln verschlungen und von einer Feuersbrunst, die
     rot wie Blut in der finsteren tandarianischen Nacht loderte.
     
    In jener Nacht waren Skips Alpträume anders. Bäume umringten ihn, Massen flatternder, peitschender Schlangenholz-Äste drangen
     auf ihn ein, so dicht verfilzt, dass es unmöglich war, einen Baum vom anderen zu unterscheiden. Gewaltige Äste wanden sich
     knarrend, knirschend um seinen Hals und würgten ihn, ledrige Rinde schabte über seine Haut. Schon wurde ihm dunkel vor Augen.
     Fern hörte er eine schwache Frauenstimme. »Du hast die Priester zu meinen Kindern geführt«, sagte sie. »Du musst sterben.«
    Er stieß sich hoch, vor seinen geweiteten Augen kippte die ganze Welt zur Seite; er benötigte drei, vier, fünf Atemzüge, bis
     er begriff, wo er war, und sein Atem sich beruhigte. Im |233| hellen Morgenlicht sah die Lichtung, in der sie die Nacht verbracht hatten, so viel kleiner aus – und viel eher wie eine ganz
     normale Waldlichtung. Er gähnte und schloss dabei die Augen – und ein wenig hoffte er, die vertrauten Eichen sehen zu können,
     wenn er sie wieder

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