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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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zurück – die
     lange Abwesenheit ihrer Herrin schien ihr keine Sorge bereitet zu haben. Der Pfuhlwald nahm sie alle auf. Doch gleich, wohin
     Ayalla ihre Schritte lenkte, es tat sich ein Weg vor ihr auf, breit und wie mit Besen gefegt. Skip stellte sich Bäume vor,
     die auf emsigen Wurzelfüßen beiseite huschten und, wenn Ayalla mit ihrem Gefolge in Sicht kam, sogleich reglos verharrten.
    Ganz allmählich hatte sich die kleine Gruppe paarweise aufgeteilt. Erle ging weltabgewandt und träumerisch mit Ayalla voraus;
     seine hochgeschossene, breitschultrige Gestalt neben der ihren war ein so natürlicher Anblick, dass es Skip vorkam, als gebe
     es ein unsichtbares Band zwischen ihm |236| und der Mutter des Waldes. Weißglühende Neugier plagte ihn mehr und mehr, doch so sehr er auch überlegte – den Grund für Erles
     merkwürdiges Losgelöstsein von dieser Welt fand er nicht. Jedoch – dieses brütende Schweigen war so untypisch für ihn!
    Allerdings – falls die Luft zwischen Erle und Ayalla mit etwas Knisterndem aufgeladen war, so konnte man das, was die stillen
     Gestalten von Kara und Garnald umwaberte, nur als unsichtbare Gewitterwolken bezeichnen. Wie Erle und Ayalla gingen auch sie
     Seite an Seite, jeder von ihnen in eine Aura aus Stärke gehüllt, der, so empfand es Skip, allein aus einem einzigen Grund
     geschaffen worden war – den jeweils Anderen gänzlich auszusperren. Es war das erste Mal in ihrer kurzen Bekanntschaft, dass
     Skip das olivianische Mädchen dermaßen aufgewühlt erlebte, und es tat ihm in der Seele weh, sie so zu sehen. Die Tatsache,
     dass ausgerechnet Garnald für ihren Zustand verantwortlich war, versetzte ihm einen schlimmen Stich. Plötzlich fühlte er sich
     einsam und sehr, sehr verletzbar.
    Und so war Ellah die einzige Person, deren Gefühle den seinen gleichkamen. Verstimmt, da keiner Notiz von ihr nahm, und mit
     der für sie nun schon üblichen irritierenden Schweigsamkeit ging sie hinter ihm. Skip horchte in sich hinein; ganz ruhig strömte
     das Blut in seinen Adern.
    Er ließ sich zurückfallen und ging neben Ellah her. Warf ihr einen verschämten Seitenblick zu. Grimmige Entschlossenheit verhärtete
     ihr sonst so hübsches Fuchsgesicht. Für eine Weile eilten sie still nebeneinander her.
    »Was ist bloß mit ihnen
passiert
?«, murmelte Skip und nickte zu Kara und Garnald hin; er war sehr darum bemüht, es beiläufig klingen zu lassen.
    »Keine Ahnung«, stieß Ellah verbittert hervor. »Er hat sie angesehen und den Verstand verloren. Ich weiß nicht, was er an
     ihr findet, sie ist nicht einmal
so
besonders schön.
Männer
!« Dieses letzte Wort vibrierte vor Zorn.
    |237| Skip kam sich vor wie mit dem Kopf unter Wasser getaucht. Kaum bemerkte er, dass Ellah längst wieder schwieg – obgleich er
     sie anstarrte. Ob sie wirklich meinte, was sie da gerade ausgesprochen hatte?
    »
Garnald
hat wegen
Kara
den Verstand verloren?«, fragte er ungläubig.
    Ellah fuhr zu ihm herum und starrte nun ihn an – verzweifelt.
    »
Dein Bruder
!«, sagte sie schließlich, ganz leise und beherrscht. »Er hat – oh, ich weiß nicht, was er verloren hat! Lass’ mich einfach
     in Ruhe!«
    Sie stampfte mit dem linken Fuß, weniger trotzig als vielmehr wütend auf sich selbst und wartete, ganz in ihre trübsinnigen
     Gedanken vertieft, bis Skip weit genug entfernt war. Er verdrehte die Augen, Erdreichgeschmack verklebte ihm den Mund. Was
     war nur mit seinen Gefährten los? Der Gedanke ließ ihn zusammenzucken.
    In diesem Moment hielten Ayalla und Erle an.
    »Ist es das, wonach du gesucht hast, Pfuhlgänger?«, hallte Ayallas klare Stimme.
    Rasch gesellte sich Garnald zu ihr und alle anderen folgten.
    Vor ihnen hatte sich eine Lichtung aufgetan, in der unzählige Felslinge versammelt waren; zu dieser späten Morgenstunde standen
     sie bereits reglos und glichen in der Tat großen, in der Sonne glitzernden Felsen. Dicht an dicht standen sie und füllten
     die Lichtung so vollkommen aus, dass man kaum mehr etwas vom Grasboden zu erkennen vermochte. Das machte den Übelkeit erregenden
     Anblick umso schlimmer.
    Sämtlicher Platz, der nicht von den massigen Felsgestalten beansprucht war, glich einem Schlachtfeld ganz besonderer Art.
     Halb verflüssigte menschliche Gliedmaßen und Torsos lagen dort wie von einem Orkan verstreut ausgebreitet, noch |238| angetan mit Fetzen stählerner Rüstungen oder schwarzer Kapuzenmäntel; gleich einem Nachhall des Sturms kamen nun Windstöße
     auf und

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