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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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getan, der wegen seiner enormen Körpergröße im Ersten Weltkrieg rechter Flügelmann bei den Preußen gewesen sei. Bei Paraden immer gleich neben dem Kaiser. Ihm treu ergeben. Bis in den Tod. Das gehörte sich so, das war die Art der von Rönstedts, Verantwortung zeigen. Sich nicht drücken.
    An diesem Abend haben meine Eltern zum ersten Mal lange mit mir gesprochen. Mama hat einen Arm um mich gelegt, und Papa mir immer wieder auf die Schulter geklopft. Du wirst es schon schaffen, mein Sohn, hat er gesagt. Wenn ich erst mal kein Hindernis mehr bin, du wirst es schon schaffen.«
    Sie hörten Henry hastig atmen. Er musste nun näher am Mikrofon stehen. Und er murmelte einige Worte vor sich hin. Es hörte sich fast an wie ein Gebet. Dann wiederum wurde seine Stimme schwächer. Schlurfende Geräusche zeigten an, dass er sich entfernte.
    »Papa hat mir in der letzten Zeit sehr viel zugetraut«, sprach Henry weiter. »Ich hätte ja auch den Umsatz im Geschäft schon maßgeblich nach oben geschraubt. Und wenn er kein Hindernis mehr sei, dann könne ich, wie er meinte, auch Kontakt zu einem Japaner oder Koreaner aufnehmen. Ich, der Juniorchef könne das. Und dann hat er weiter ausgeführt, dass mit der Firma alles geregelt werde. Und privat auch. Die Banken würden sich wegen ihrer Forderungen nicht an mich wenden, sondern allein an ihn, Hugo von Rönstedt, und ihn als den Verantwortlichen sehen. Sie würden sogar, so hatte man ihm verdeutlicht, mit mir zusammenarbeiten, um eventuell das Geschäft wieder zum Laufen zu bringen. Sonst würden sie viel Geld verlieren. Welche Bank möchte das schon.«
    Henry stockte. Deutlich war das Abschrauben eines Verschlusses zu hören. Er trank und stellte etwas auf einen harten Untergrund.
    »Wenn das Mami sehen könnte«, kicherte Henry. »Ich trinke aus der Flasche und ohne Glas. Und wische mir mit dem Ärmel den Mund ab. Gut, dass Mami nichts sehen kann. Gut, dass sie mich überhaupt nicht sehen kann. Sie wäre sehr unglücklich.« Er rülpste.
    Die Flasche wurde wieder zugeschraubt. »Ob es denn keinen anderen Ausweg gäbe, habe ich Papa und Mami gefragt. Papa hat nein gesagt und Mami hat gesagt, da wo Papa hingehe, da gehe sie auch hin. Schließlich sei sie mit ihm verheiratet, und das nicht nur in guten Zeiten. Und Papa hat sie angelächelt und ihr die Wange gestreichelt. Er war froh über ihre Antwort. Denn dann müsse er nicht allein gehen. Allein sei er so einsam, nach so vielen Ehejahren. Aber so viele waren es noch nicht, habe ich gesagt. Und dann hat Papa zugegeben, dass er schon einmal verheiratet gewesen war. Aber darüber möchte er nicht reden.« Henry machte eine Pause und sprach nach wenigen Sekunden weiter: »Nun, ich konnte Papa nicht überzeugen. Außerdem war er auch alt genug und wusste genau, was er tat. Papa wusste das immer. Und Mami gab ihm in allem Recht. Nur auf diese Art und Weise, hat Papa gemeint, könne er seine Ehre behalten. Das mache man schon so seit Jahrhunderten. Ein Großonkel hätte es auch getan. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg.
    Und dann habe ich Papa noch geholfen, die Möbel wegzurücken und eine Plastikfolie auszulegen. Ordnung muss sein, hat er gemeint. Es soll doch nichts unnötig schmutzig werden. Das siehst du doch auch so, Henry, hat er mich gefragt. Ja, habe ich geantwortet. Dann lasse uns jetzt allein, mein Junge. Wir, deine Mami und ich, wollen noch miteinander reden. Und dann hat mich mein Papa in die Arme genommen und fest an sich gedrückt. Noch nie hat er mich in die Arme genommen. Als ich in sein Gesicht schaute, da habe ich die Tränen gesehen. Papa hatte Angst, ganz große Angst. Und er hat mich auf die Wange geküsst. Ich war verwirrt und wusste nicht recht, wie ich mich verhalten sollte. Mami kam dann noch zu mir, hat sich von mir verabschiedet, aber ich habe die ganze Zeit an Papa denken müssen. War er vielleicht doch nicht so stark, wie er immer getan hat? Oder hatten ihm vor Jahren meine Messerschnitte in den Unterarm die Angst gebracht?
    Ich bin dann gegangen. Papa hat gesagt, ich solle zu Freunden gehen. Aber ich wusste nicht, zu wem. Wer war schon mein Freund? Da habe ich Marek Achterbusch aufgesucht, und wir haben uns einen Film angeschaut. Wir hatten uns nicht viel zu sagen. Das war mir auch recht, denn ich musste immer an Papa denken, und an seine Tränen. Mitten im Film bin ich aufgesprungen und nach Hause gelaufen. Ich wollte Papa unbedingt noch einmal sehen. Auch mit Tränen, das wäre mir egal gewesen. Ich wollte

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