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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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über deren Entstehungsweise und Bedeutung, obwohl sie selbst wiederholt welche hatte, die ihr den Schweiß auf die Stirn trieben und ihr Herz rasen ließen. Ihr war bisher nur die Erinnerung geblieben, Henrys dagegen waren auf Band aufgezeichnet und konnten zu jeder Zeit abgehört werden. So, wie sie es bei Ludevik getan hatte.
    Natürlich hätte sie mit Carmen oder mit Ludevik, auch mit beiden gemeinsam, sprechen können, aber sie wollte sich nicht ihnen gegenüber entblößen. Ihre Träume und deren Ursache waren ganz privat und gingen nur sie allein etwas an.
    Sarah verabredete sich in Saarbrücken mit einem Psychoanalytiker, dessen Spezialgebiet die Traumdeutung war. Als sie die großzügigen Räumlichkeiten in einem exklusiven Geschäftshaus im Zentrum der Stadt betrat, nicht weit von Karstadt und der Fußgängerzone entfernt, die teure und geschmackvolle Einrichtung sah, gewann sie den Eindruck, zumindest, was die geschätzte Einkommensgröße und das Ambiente anbelangte, die richtige Wahl getroffen zu haben.
    Sarah war erstaunt, von einem gerade einmal dreißigjährigen Mann mit längeren Haaren begrüßt zu werden, der einen gleichfalls teuren und geschmackvollen Eindruck hinterließ und so leise sprach, dass jedes Nebengeräusch zu unterbleiben hatte.
    Er bot ihr einen bequemen Sessel an, setzte sich ihr gegenüber, schlug die Beine übereinander, schaute sie an und wartete einfach.
    Um möglichst gezielt beraten zu werden, beschrieb Sarah ihre Träume und auch die von Henry sehr genau.
    »Sollte das ein kleiner Test sein, Frau Rudolph?«
    Sarah, die sich wieder unter diesem Namen angemeldet hatte, sah den schlanken Mann verwundert an.
    »Ich habe nicht gewusst, dass es eine Familienberatung werden sollte«, eröffnete er ihr schmunzelnd.
    Auf ihre Frage, wie sie das zu verstehen habe, meinte er gut gelaunt: »Entweder sind Sie eine multiple Persönlichkeit oder Sie haben mir Träume von mindestens zwei verschiedenen Personen erzählt.«
    Sarah war an einer schnellen Traumdeutung gelegen und an einer für sie verständlichen Benennung der Ursache, wie Träume entstehen könnten.
    »Herr Munzinger. Meine Träume, die ich Ihnen erzählt habe, sind fast beliebige Beispiele und dienen nur dazu, abschätzen zu können, worin die Ursache liegen könnte.«
    Munzinger meinte, ihr Bilderrätsel lösen, denn jeder Traum sei ein Bilderrätsel, mit dessen Hilfe man auf das Original kommen möchte, könne er nicht so auf die Schnelle. Erst als Sarah gestand, es handele sich tatsächlich um zwei verschiedene Personen, willigte er ein, die Träume auf allgemeine Art einzuordnen, verkniff sich aber nicht die Bemerkung, besonders die letzten, gemeint waren die von Henry, interessierten ihn besonders. Natürlich nur im Zusammenhang mit der betreffenden Person.
    Munzinger sah in Sarah einen Laien, der zuerst einmal über Grundsätzliches aufgeklärt werden müsse. Wie ein Dozent erläuterte er, Träume seien optische und akustische Phantasieerlebnisse, die während des Schlafes oder einer Schlafphase aufträten und etwas Unwirkliches oder etwas Wunderschönes, sozusagen als Wunschvorstellung, weitergäben. Alle Menschen würden träumen, drei bis viermal die Nacht mindestens mit einer Dauer zwischen wenigen Sekunden und vierzig Minuten, auch wenn sie sich am kommenden Morgen nicht daran erinnern könnten. Hochstehende Tiere, wie man inzwischen zweifelsfrei wisse, auch. Sich an Träume zu erinnern, könne man trainieren, indem man sich vor dem Schlaf vornähme, sie nicht zu vergessen. Der Traum unterscheide sich zum Wachsein dadurch, dass in ihm das Emotionale, also unangenehme Gefühle wie Angst und Enttäuschung, vorherrsche und man zwischen dem eigenen Ich und der Umwelt nicht unterscheiden könne. Die Zeiten würden verschwimmen, rasche Ortswechsel kämen vor, vieldeutige mythen- und märchenhafte Bilder könnten den Trauminhalt verzerren und eine surreale Erlebniswelt schaffen. Die Traumdeutung, führte Munzinger weiter aus, sei bereits 2000 Jahre vor Christi in Ägypten eine Art Wissenschaft gewesen.
    Munzinger merkte, dass Sarahs Interesse an seinem Vortrag und der Historie nachließ. Er unterdrückte die Griechen, die Römer und das Mittelalter und kam gleich auf Freud zu sprechen, dessen Forschungen die wohl nachhaltigsten Impulse gegeben hätten. Gemäß Freud seien für Träume verantwortlich die nächtlichen Sinneseindrücke, Gedanken und Vorgänge des aktuellen Tagesgeschehens und ein Verdrängungsmechanismus,

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