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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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ein großer Refektoriumstisch, an dem sich die Nonnen unter den erloschenen Blicken der Föten wohl mit den alten Schriften beschäftigen. Seite 71 des Abtreibungsregisters für die Jahre 1940 bis 1960, Gefäß 701. Schwester Marguerite-Marie, die ermordete Nonne, ist am 16. November 1957 ins Kloster gekommen. Muss man nicht total verrückt werden, wenn man die starren Augen des eigenen Kindes sieht, dessen Kehle voll Formalin steckt?
    Sie tritt an den Tisch, auf dem ein Dutzend Leuchter stehen, und zündet eine der Kerzen nach der anderen an.
    Was treibst du da in Gottes Namen, Maria? Du musst unbedingt sofort von hier verschwinden und das FBI in Denver alarmieren!
    Im Schein der Kerzen fallen ihr weitere Werke auf, von denen sie annimmt, dass die Nonne sie nicht hat zurückstellen können. Sie setzt sich vor sie auf die hölzerne Bank. Mit ihren Nägeln hat die Unglückliche tiefe Rillen ins Holz der Tischplatte geritzt, wahrscheinlich unter dem Eindruck des entsetzlichen Geheimnisses, das ihr Todesurteil bedeutete. Wohin auch immer Maria den Blick richtet, überall auf der Tischplatte sieht sie ähnliche Spuren, manche jüngeren Datums, manche sehr viel älter. Man könnte glauben, ganze Generationen Weltferner Schwestern habe das gleiche Entsetzen befallen, während sie sich mit den verbotenen Büchern beschäftigten. Maria schließt die Augen. Ihr ist klar, dass sie in großer Gefahr schwebt.

17
    Aufmerksam betrachtet sie die staubbedeckten Bände, in denen die Nonne noch wenige Stunden vor ihrem Tod für Maria unlesbare Anmerkungen an den Rand geschrieben hat. Sie scheinen in einem komplizierten Code aus Hieroglyphen und Phonemen abgefasst zu sein. Während Maria die Werke durchblättert, sieht sie, dass die Nonne darin immer wiederkehrende Wörter mit einem Kreis umgeben hat. Zu jedem von ihnen gehört eine Randnotiz – ein Bilderrätsel, das sich über Tausende von Seiten hinzieht. Ein Seufzer der Mutlosigkeit entfährt Maria. Allem Anschein nach hat etwas in den Handschriften dieser Bibliothek die Aufmerksamkeit der Nonne geweckt und sie nach und nach von ihrer eigentlichen Aufgabe abgelenkt. Sie muss darin eine Art roten Faden erkannt haben, etwas, das sie hinlänglich beunruhigt hat, um sie zu monatelangen Nachforschungen zu veranlassen, bei denen sie nachts aufgestanden war, während die anderen schliefen – bis sie schließlich auf das Geheimnis gestoßen war, das sie das Leben gekostet hatte. Wie die Lösung des Rätsels wohl aussehen mochte?
    Während Maria die Handschriften durchblättert, spürt sie, wie das Jagdfieber auch sie erfasst. Als sie den letzten Band zurücklegen will, fällt ein Bündel durchsichtiger Folien heraus und breitet sich wie ein Fächer auf dem Tisch aus. Sie sammelt sie ein und mustert sie neugierig. Sie enthalten Symbole und unvollständig aussehende Figuren. Das könnte ein als Code dienendes Puzzle sein, bei dem man aus verschiedenen Quellen stammende, unvollständige Symbole und Figuren aufeinander legt, um hinter den Sinn des Ganzen zu kommen. Als sie probehalber eine Folie auf ein beliebiges Blatt aus einer der Handschriften legt, stellt sie fest, dass die Symbole ganz und gar miteinander verschmelzen und sie die Anmerkungen der Nonne jetzt zu lesen vermag. Daraufhin vertieft sie sich erneut in die Werke und kommt rasch dahinter, dass sich alle von der Nonne eingekreisten Wörter auf ein einziges Unheil bringendes Wesen beziehen: Gaal-Ham-Gaal. Es ist der aus den Tiefen der Hölle entwichene Finstere Herrscher, das Große Übel. All die anderen Namen beziehen sich auf ihn. Es sind Vorreiter des Bösen, die er selbst einen wie den anderen ins Leben gerufen hat. In der Dunkelheit flüstert Maria die Namen dieser Dämonen, deren Abbild die Nonne an den Rand gezeichnet hat, wie eine Litanei vor sich hin: »Abbadon, der Zerstörer, der Todesengel der Apokalypse, Fürst der Dämonen der siebten Hierarchie und souveräner Herrscher des Seelenbrunnens. Adramelech, der Kanzler der Hölle. Azazel, kommandierender General der höllischen Bataillone.
    Belial, Loki, Mastema, Astaroth, Abrahel und Alrinach, die den Orkanen, den Erdbeben und den Überschwemmungen gebieten.«
    Sie ordnet die Folien einer Seite nach der anderen zu. Dabei liest sie auf den Rändern: »Leviathan, Großadmiral der Hölle. Magoa und Maimon, die mächtigen Herrscher des Abendlandes. Samael, die Schlange, die Evas Fall bewirkt hat. Alu, Mutu, Humtaba, Lamastu, Pazuzus, Hallulaya und Attuku, die sieben

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