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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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Ritter der Unwetter, die über Babylon niedergingen. Tiamat und Kingu. Seth, Fürst der Dämonen, der das alte Ägypten heimgesucht hat. Ahriman und Asmoug bei den Persern, Hutgin und Ascik Pascha bei den Türken, Zhen Huang und Yan Wang bei den Chinesen, Durgâ, Kâli, Rakshasa und Sittim bei den Indern.«
    Sie beendet die Litanei mit dem Sonnengott Huitzilopochtli. Ihm opferten die Azteken, damit dessen Licht nie erlosch, Millionen Gefangene, indem sie ihnen das Herz herausrissen. So viele Namen, die unter der Feder der Nonne ein und dieselbe Wurzel des Übels bezeichneten, eine Geißel, die der Hölle entflohen war, um die Welt heimzusuchen: Gaal-Ham-Gaal.

18
    Maria reibt sich die Augen. Ein Buch liegt noch auf dem Tisch, dick und schwer wie eine Bibel. Sie öffnet es an der Stelle, an der die Nonne als Lesezeichen ein Andachtsbildchen hineingelegt hat. Es ist der Anfang der Schöpfungsgeschichte, der Zeugnis von der Entstehung der Welt ablegt. »Im Anfang schuf Satan Himmel und Erde …« Sie erschrickt, als sie diese Worte aus ihrem eigenen Mund hört. Sie kehrt mit den Augen an den Anfang der Zeile zu rück und sieht unter dem Namen Satans etwas, das aussieht wie ein Materialfehler im Pergament. Sie lässt ihren Daumennagel über den Buchstaben gleiten und spürt eine leichte Körnigkeit. Man könnte annehmen, jemand habe etwas ausradiert und mit sorgfältiger Hand den Namen Gottes durch den des Teufels ersetzt und dabei die ursprünglichen Buchstaben mit größter Genauigkeit nachgeahmt. An den Rand hat die Nonne eine Reihe Keilschriftzeichen geschrieben. Es handelt sich dabei um eine so alte Sprache, dass sich die Wörter wohl nicht anders darstellen ließen. Jedes der Symbole steht für einen Laut oder das Mittel, mit dem man den Laut hervorbringt. Es ist die Schrift des alten Sumererreichs, dessen Kultur über tausendfünfhundert Jahre vor Christus wie mit einem Donnerschlag von der Erdoberfläche verschwand.
    Da es eins von den Büchern ist, die den fünfzackigen Stern auf dem Rücken tragen, dauert es eine Weile, bis Maria seinen Titel gefunden hat. Dann weiß sie, es handelt sich um den Bericht der Kinder Kains, Auszug aus den Mysterienschulen. Aus den Anmerkungen der Nonne geht hervor, dass über Jahrhunderte hinweg ketzerische Sekten und geheime Bruderschaften diese Schrift von einer Hand zur anderen weitergereicht hatten, bis sie bei der Eroberung einer Katharerfestung durch die Kreuzkrieger des Papstes Innozenz III. in den Besitz der Kirche gelangt war. Die Katharer – auch sie Kains Kinder.
    Ihre Nachforschungen hatte die Nonne bis in die Zeit um 8300 vor Christus vorangetrieben. In jener vergessenen Epoche, gleichsam die Jugendjahre der Menschheit, hatte der Legende zufolge Kains von Gott verfluchte Nachkommenschaft in der Nähe des Gewässers, das wir heute das Schwarze Meer nennen, eine Zuflucht gefunden, und zwar an einem trübseligen und finsteren Ort namens Acheron. Dort, hieß es, hätten sie sich tief in den Leib der Erde gegraben und ein finsteres Reich gegründet, über dem die Sonne nie aufging.
    Mit ihrem Graben seien Kains Nachkommen bis an das Tor der Unterwelt gelangt. Dabei sei Gaal-Ham-Gaal von dort entkommen und habe damit die Möglichkeit bekommen, seine Macht auf der Erde zu verbreiten.
    Maria überspringt mehrere vom Zahn der Zeit stark beschädigte Blätter. Weiter hinten setzen die Anmerkungen der Nonne wieder ein. Als Gott sah, dass der Dämon durch die Klüfte des Acheron entkommen war, habe er beschlossen, sein Werk zu zerstören, um zu verhindern, dass das Böse die Oberhand gewann, und es tagelang regnen lassen. Der unaufhörliche eiskalte Regen habe die Ozeane über ihre Ufer treten lassen. Auch die Wasser des Mittelmeers und des Marmarameers seien so sehr angeschwollen, dass sie sich gemeinsam durch den Bosporus ins heutige Schwarze Meer ergossen. Während die Wasser der biblischen Sintflut die Welt bedeckten und das unterirdische Reich Acheron überschwemmten, wo Kains Kinder, wie es heißt, ertranken, hätten sich unter dem gewaltigen Druck des Wassers nach und nach die Pforten der Unterwelt geschlossen.
    Bei Anbruch des letzten Tages sei die Erde vollständig unter den von Gott geschickten Wassermassen verschwunden gewesen. Lediglich die allerhöchsten Gipfel sahen noch daraus hervor. Doch der von Kains Kindern aus der Hölle befreite Dämon habe die Sintflut überlebt und sich, nachdem die Wasser abgelaufen waren, erneut in die Tiefen der Welt zurückgezogen, um

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