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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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Schritte hallen. Eine hochgewachsene dunkelhaarige Frau in einem eleganten schwarzen Kostüm und weißen Regenmantel taucht auf. Ihr folgen vier uniformierte Polizeibeamte und weitere in Zivil, die sich in der Basilika verteilen.
    »Wer sind Sie, und was wollen Sie?«
    »Kommissarin Valentina Graziano von der Polizia di Stato, Eure Eminenz. Ich habe den Auftrag, Ihre Schäfchen zu beschützen. Ich denke, Ihnen ist klar, dass die Morde, die Sie hier unter den Teppich zu kehren trachten, bedauerlicherweise nicht die letzten sein werden.«
    »Ich darf Sie darauf hinweisen, mein Kind, was Sie als Römerin und Polizeibeamtin ohnehin wissen dürften: Der Vatikan ist als souveräner Staat exterritorial, weshalb Sie nicht das geringste Recht haben, ihn in Ausübung Ihres Berufs ohne eine schriftliche Erlaubnis Seiner Heiligkeit zu betreten.«
    »Ein solches Dokument dürfte in der gegenwärtigen Zeit der Trauer nur schwer zu bekommen sein. Also werden wir nicht umhin können, darauf zu verzichten.«
    Als Camano auf die junge Frau zutritt, um Ballestras Leiche mit seinem Körper vor ihren Blicken zu verbergen, nimmt er das betörende Parfüm wahr, das sie umweht.
    »Sie sind im Irrtum, meine Dame. Dies Verbrechen ist eine interne Angelegenheit, die ausschließlich der Jurisdiktion des souveränen Vatikans untersteht. Daher bitte ich Sie, sich mit Ihren Leuten sofort von hier zu entfernen.«
    »Ich glaube, Sie sind im Irrtum, Eminenz. Ihre Gerichte sind ermächtigt, Urteile zu fällen, in denen es um die Nichtigkeitserklärung einer Ehe oder um die Abweichung von Dogmen geht, keinesfalls aber in Fällen, die dem Strafrecht unterliegen. Daher schlage ich vor: Wenn Sie sich bereit erklären, mit der Polizei zusammenzuarbeiten, sage ich Ihnen meine absolute Diskretion zu.«
    »Und wenn ich das nicht tue?«
    Blitzlichter flammen auf, während Polizisten aus nächster Nähe fotografieren.
    »In dem Fall wird man die Fotos von Monsignore Ballestras Leiche morgen in allen großen Tageszeitungen der Welt auf der ersten Seite sehen. Bei dieser Gelegenheit wird man der Weltöffentlichkeit auch die eindrucksvolle Liste der Morde an Weltfernen Schwestern nicht vorenthalten, die der Vatikan seit Wochen unterdrückt.«
    »Das ist ein widerwärtiger Erpressungsversuch, Signora Graziano. Sie dürfen sich darauf verlassen, dass ich Ihren Vorgesetzten davon in Kenntnis setzen werde.«
    Mit einem Seufzer sagt die junge Frau: »Tun Sie mir den Gefallen, Eminenz, und nennen Sie mich Valentina.«

17
    Das Gesicht an die Kunststoffscheibe gedrückt, blickt Maria auf den Ozean hinab, dessen Wogen sich im Halbdämmer abzeichnen. Packeis und riesige Eisberge tauchen in der grauen Wasserfläche auf. Dann scheinen die Kämme der Wogenberge unter der Einwirkung der Kälte zu erstarren, und Maria erkennt in der Ferne die zerklüftete Küste Grönlands. Sie sieht auf die Uhr. Noch vier Stunden. Danach wird das Unbekannte beginnen, wird sie auf den Spuren einer im Mittelalter umgekommenen Nonne den Weg in die Hölle antreten.
    Sie schreckt auf. Beim Gedanken an den kalten Weg ohne Wiederkehr, der ihr bevorsteht, war ihr unwillkürlich die Erinnerung gekommen, wie sie einmal, als sie mit Freunden im Restaurant zu Abend aß, einer Zigeunerin erlaubt hatte, ihr die Zukunft vorauszusagen.
    Diesen Zwischenfall hatte sie inzwischen vollständig vergessen. Als sich die rauen Finger der Wahrsagerin um ihre Hand schlossen, hatte tiefer Widerwille sie durchfahren. Ihre Freunde hatten eine Weile gescherzt, doch als die Hände der Zigeunerin immer fester drückten, war Maria das Lächeln vergangen. Sie hatte den Blick gehoben und in den Augen der Wahrsagerin den Ausdruck tiefsten Entsetzens erkannt. Gleich darauf war das Lachen ihrer Tischgenossen erstorben, und Totenstille hatte sich um sie alle herum ausgebreitet.
    Dann hatte die Zigeunerin die Augen verdreht, und aus ihrem Mund waren sonderbare Geräusche gekommen.
    Großer Gott, die kriegt einen epileptischen Anfall, war es Maria durch den Kopf gegangen, während die Zigeunerin zu Boden sank.
    Jetzt sieht sie durch das Fenster in die Nacht hinaus. Eine Woche später hatte die Zigeunerin es geschafft, Maria am Wachdienst der Psychiatrie vorbei, in der sie sich inzwischen befand, anzurufen. Auf ihre Frage, was sie an jenem Abend gesehen hatte, war die Antwort erst nach langem Zögern gekommen. Fünf gekreuzigte Menschen in einer Krypta. Nach längerem Schweigen hatte die Zigeunerin voll Entsetzen hinzugefügt:

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