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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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anderen Ende abgenommen wurde. Mit einem Mal war er aschfahl geworden, und als er herauskam, war ihr klar, dass er einen Freund verloren haben musste.
    Zermatt. Sie haben den Wagen auf einem verlassenen Parkplatz am Fuß des Berges abgestellt und steigen langsam über Maultierpfade empor, die sich unten an den Hängen des Matterhorns entlangziehen. Das Wetter ist trüb, und die Gipfel der Berge verschwinden nach und nach in einer dichten Nebelschicht. Die Wanderstiefel knirschen auf dem Pulverschnee. Als Maria außer Atem den Mund öffnet, um zu erklären, dass sie keinen Schritt weiter tun wird, bleibt Carzo stehen und weist auf einen fernen Punkt, der im Nebel kaum sichtbar ist.
    »Da oben ist es.«
    Sie hebt den Blick. Sosehr sie die Felswand mit den Augen absucht, sie sieht nur graues Gestein und Eisflächen.
    »Sind Sie sicher?«
    Carzo nickt. Sie kneift die Augen zusammen und erkennt schließlich eine Art alte Festungsmauer, die sich von der grauen Masse ein wenig abhebt. Während sie den Blick darübergleiten lässt, fällt ihr auf, dass es keinen Zugang dorthin zu geben scheint. Sie stößt einen Seufzer aus, und sogleich gefriert ihr Atem.
    »Seit wann ist das Kloster verlassen?«
    »Außer einigen Trappistinnen, die sich zu Anfang des Zweiten Weltkriegs dorthin geflüchtet haben, hat es seit dem Massaker an den Weltfernen Schwestern niemand mehr bewohnt.«
    »Und die Trappistinnen sind nicht geblieben?«
    »Am Ende des Krieges wurden die Leichen der Nonnen gefunden, teils verstümmelt und teils erhängt. Man nimmt an, dass sie sich gegenseitig umgebracht, die Überlebenden sich von ihren Opfern ernährt und schließlich ihrem Leben selbst ein Ende bereitet haben.«
    »Sie meinen, wie die Nonnen von Holy Cross?«
    Carzo gibt keine Antwort.
    »Na schön, jedenfalls vielen Dank für die Aufmunterung. Und wie kommt man jetzt da rauf?«
    Statt einer Antwort weist er auf eine Art stählernen Handlauf, der in die Felswand eingelassen ist. Je näher sie dem Gipfel kommen, desto schärfer beißt ihnen das kalte Metall in die Hände.

3
    Nachdem sie eine Eisbrücke überquert haben, unter der eine so tiefe Felsspalte liegt, dass es beide schwindelt, arbeiten sie sich dicht an die Felswand gedrückt bis zu einer Öffnung vor, die gerade so groß ist, dass sich ein schlanker Mensch seitwärts hindurchzwängen kann. Als Maria dem Priester folgt, scheint sich der draußen tobende Wind zu entfernen. Im Inneren steht die eiskalte Luft unbeweglich.
    Während ihre Schritte auf dem Steinboden hallen, schließt Maria die Augen. Sie nimmt den in den Gängen hängenden Geruch nach feuchter Erde und Staub in sich auf. Auch nach Leder riecht es. Genau genommen drängt sich dieser Geruch in den Vordergrund, als hätten die über Jahrhunderte hinweg dort aufbewahrten verbotenen Handschriften die Mauern förmlich getränkt. Das Gedächtnis der Steine. Sie konzentriert sich auf den Schein der Fackel, die Carzo entzündet hat. Die Flamme zischt im leichten Luftstrom, den sie beim Gehen erzeugen, als habe sich irgendwo über ihnen eine Tür geöffnet.
    Jetzt gehen sie durch einen leicht ansteigenden breiten Gang. Während Maria die Decke betrachtet, sieht sie, wie die Fackel zahllose orangefarbene Kügelchen entzündet. Ein Knistern von Flügeln. Ein spitzer Schrei dringt durch den Gang.
    »Machen Sie um Gottes willen sofort die verdammte Fackel aus.«
    Statt dieser Aufforderung zu folgen, bleibt Carzo ruckartig stehen und hebt die Fackel. Anfangs scheint sich das Licht in einer Art dichten Laubwerks zu verlieren, das Decke und Wände bedeckt, dann fängt dieser Vorhang aus Blättern an, wie wild zu flattern. Ein Wald aus Flügeln und aufgerissenen Mäulern, in denen spitze Zähne schimmern.
    »Allmächtiger barmherziger Herr Jesus, schützen Sie Ihr Gesicht, und laufen Sie, so schnell Sie können.«
    Als sich die Fledermäuse von der Decke lösen, scheint nicht nur diese einzustürzen, sondern auch die Wände kommen auf die beiden zu. Carzo peitscht die Luft mit der Fackel, um sich einen Weg zu bahnen. Der Geruch nach verbranntem Fleisch legt sich schwer auf die Lunge. Maria greift nach der Kutte des Exorzisten, als sie spürt, wie Krallen nach ihren Haaren fassen. Entsetzt entsichert sie ihre Pistole und feuert dem Tier drei Kugeln ins Maul – drei kurze Detonationen hallen in ihrem Ohr, während es, in Stücke geschossen, an ihrem Hals hinabgleitet.
    »Bleiben Sie nicht stehen, sonst sind wir verloren.«
    Maria verliert vor

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