Das Evangelium nach Satan
Kopf und am Brauenbogen hervorgerufenen Verletzungen.«
»Kommt so etwas oft vor?«
»Zum letzten Mal hat die Kirche einen solchen Fall im Januar 1348 in Venedig erfasst. Da hatten sich mit einem Mal am Körper eines kleinen Mädchens namens Toscana die Wundmale von Christi Passion gezeigt. Mit feierlicher und von Tränen erstickter Stimme hatte das Kind den unmittelbar bevorstehenden Ausbruch der Pest verkündet. Es wird berichtet, dass von ihrem stigmatisierten Körper ein Rosenduft ausgegangen sei. Auch in diesem Punkt besteht ein Unterschied zwischen den beiden Arten von Besessenheit: Menschen, in denen sich Gott manifestiert, duften nach Rosen, während der Atem der vom Teufel Besessenen nach Veilchen riecht.«
Nach kurzem Schweigen fragt Maria: »Und sind diese Fälle von Besessenheit der Grund dafür, dass Sie glauben, die Erfüllung einer Weissagung steht bevor?«
»Eigentlich wissen wir das bereits. Daher müssen wir um jeden Preis verhindern, dass sich diese Weissagung erfüllt. Dazu allerdings müssen wir sie vor allem verstehen, und dafür ist es unerlässlich, das Satansevangelium zu finden.«
»Und welche Rolle kommt mir dabei zu?«
»Ihnen sind Geheimnisse enthüllt worden, die Sie nie hätten erfahren dürfen. Über die Jahrhundert hinweg haben nur wenige Menschen mit dem Wissen, das Sie besitzen, länger als eine Stunde gelebt.«
»Ohne Ihr Eingreifen wäre ich ja auch tot.«
»Vielleicht auch nicht. Immerhin hätten Sie tot sein müssen, lange bevor Sie das Kloster der Weltfernen Schwestern überhaupt erreicht haben. Diese Leistung muss man Ihrer Beharrlichkeit zuschreiben, aber auch Ihrer Gabe.«
»Wie bitte?«
»Sie sehen Dinge, die andere Menschen nicht sehen können. Deshalb ist es Ihnen ja gelungen, dem Seelenräuber so lange auf der Fährte zu bleiben, und deshalb hat Kaleb Sie nicht getötet, als er Sie da unten in der Krypta in seiner Gewalt hatte.«
Sie bemüht sich, ihre Verwirrung darüber, dass der Exorzist allem Anschein nach in ihrem Kopf lesen kann wie in einem offenen Buch, nicht zu zeigen.
»Woher wissen Sie all das?«
»Die Kirche verfügt über eine Vielzahl an Informationsquellen.«
»Was wissen Sie noch?«
»Fast alles.«
»Was heißt das genau?«
»Ich weiß, dass Sie als Profilerin beim FBI arbeiten und für kaltblütige, umherziehende Mörder zuständig sind, die man Crosskiller nennt. Ich weiß, dass niemand besser als Sie in der Lage ist, solche Täter aufzuspüren und zu verfolgen. Sie versetzen sich in sie, machen sich deren Denkweise zu eigen und schlüpfen sozusagen in deren Haut.«
Sie nimmt einen Schluck Wasser, um den Kloß aufzulösen, der sich in ihrem Hals gebildet hat.
»Was noch?«
»Ich weiß, dass Sie Tote sehen können und nachts nur mithilfe von Schlafmitteln Ruhe finden. Außerdem weiß ich, dass Sie einen schweren Unfall hatten, der Sie mehrere Monate lang in ein tiefes Koma versetzt hat. Als Ergebnis des bei diesem Unfall aufgetretenen Schocks haben Ihre Visionen eingesetzt.«
»Ja, das reaktionelle mediale Syndrom. Ist das alles?«
»Es genügt, um dem Schwarzen Rauch beim Aufspüren des bewussten Evangeliums zuvorzukommen.«
»Ich verstehe immer noch nicht, inwiefern ich Ihnen dabei behilflich sein könnte.«
»Wir werden die vom Generalinquisitor Thomas Landegaard im vierzehnten Jahrhundert begonnene Untersuchung fortführen, um festzustellen, was an jenem Februartag des Jahres 1348 geschehen ist, als das Evangelium verschwand.«
»Der Mann, den der Papst ausgeschickt hat, damit er das Massaker an den Nonnen im Kloster am Matterhorn untersuchte?«
»Ja. Dort hat alles angefangen. Deshalb müssen wir dahin, um der Sache von Anbeginn an nachzuspüren.«
»Und wie stellen Sie sich das vor?«
»Wir nutzen Ihre und meine Gabe. Ich werde Sie hypnotisieren, damit Sie sich in Landegaard versetzen können.«
Schweigen. Maria sucht den roten Faden, der die einzelnen Angaben miteinander verbindet, die ihr Carzo gemacht hat.
»Sie haben gesagt, dass mich Kaleb wegen dem, was Sie meine Gabe nennen, damals in der Krypta nicht umgebracht hat.«
»Das liegt doch auf der Hand. Andernfalls wären Sie nicht mehr hier, um sich daran zu erinnern.«
»Schon. Aber wieso hat er sich die Mühe gemacht, mich zu kreuzigen, wenn er mir in Wirklichkeit nicht nach dem Leben trachtete?«
»Das war nichts als eine schauerliche Inszenierung. Er hat diese Rachel ausschließlich deshalb umgebracht, um Sie herbeizulocken. Sonst hätte er nie und nimmer
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