Das Evangelium nach Satan
öffnet die Augen und liest noch einmal den warnenden Hinweis, den sie in die Mauer geritzt hat. Maria zittert. Der Mönch, der in diesem Kloster gewütet hat, ist Kaleb.
18
Schweigend hört sich Stuart Crossman Ballestras geflüsterten Bericht an, den ihm Valentina übersetzt. Stellen, die ihm besonders aufschlussreich erscheinen, lässt er noch einmal abspielen. Er wird bleich, als der Archivar die Namen der vom Schwarzen Rauch ermordeten Päpste aufzählt. Am Ende der Aufnahme stößt er einen tiefen Seufzer aus.
»Das ist weit schlimmer, als ich vermutet hatte.«
»Es würde genügen, wenn wir das Ganze der Presse übergäben.«
»Der Osservatore Romano und die anderen offiziellen Organe des Vatikans würden sofort entschiedene Dementis abgeben. Außerdem …«
»Ja?«
»Was würde geschehen, wenn eineinhalb Milliarden Gläubige auf der ganzen Welt erführen, dass sie von ihrer Kirche jahrhundertelang belogen und betrogen worden sind und überdies in einer Geheimloge zusammengeschlossene Kardinäle im Begriff stehen, die Herrschaft im Vatikan an sich zu reißen? Bedenken Sie, wie sich eine solche Enthüllung auf die Hunderttausende von Pilgern auswirken würde, die zurzeit hier auf dem Petersplatz zusammenströmen. Ein zweitausend Jahre altes Glaubensgebäude würde mit einem Schlag zusammenbrechen! Es gäbe einen Aufstand von nie dagewesenem Ausmaß.«
»Dann können wir nur noch hoffen, dass sich das Konklave für einen Kandidaten aus den Reihen der dem Heiligen Stuhl treu ergebenen Kardinäle entscheidet.«
»Das sollte mich wundern.«
Crossman gibt Valentina ein Blatt.
»Was ist das?«
»Die Liste der elf Bischöfe und Kardinäle, die vorige Woche bei einem Flugzeugunglück über dem Atlantik ums Leben gekommen sind. Einer von ihnen war Kardinal Centenario, der als aussichtsreichster Nachfolger des verstorbenen Papstes galt. Der Weitblick, den der Schwarze Rauch mit diesem Flugzeugabsturz bewiesen hat, wird ihm die absolute Mehrheit im Konklave sichern.«
Auf dem Fernseher sieht man, dass der Petersplatz schwarz von Menschen ist. Nahezu alle Fernsehsender auf der Welt übertragen in Dutzenden von Sprachen die Kommentare der Ansager und die Erläuterungen der Spezialisten, die sich verstört über die Wendung zeigen, welche die Ereignisse genommen haben. Die Kameras richten sich auf den Schornstein der Sixtinischen Kapelle, aus dem nach jedem Wahlgang der Rauch vom Verbrennen der Stimmzettel aufsteigt: Schwarz, solange sich die Kardinäle nicht auf einen Kandidaten geeinigt haben, weiß, sobald der nächste Nachfolger des Apostels Petrus feststeht.
Valentina wendet sich an Crossman: »Welchen Auftrag hat Ihre Mitarbeiterin?«
»Sie soll das Satansevangelium finden, damit es nicht den Mordgesellen des Schwarzen Rauchs in die Hände fällt. Wir wissen, dass die Bruderschaft beabsichtigt, der Welt mittels. dieser Handschrift die Lüge der Kirche bekannt zu machen, sobald der Papst gewählt ist, den sie sich vorstellt.«
»Und wissen Sie, wo sie sich zurzeit aufhält?«
»Zuletzt gesehen habe ich sie am Flughafen von Denver, von wo sie mit Pater Carzo, einem Exorzisten des Vatikans, nach Genf fliegen wollte.«
»Und seither?«
»Nichts.«
»Keine Sorge. Wie Sie selbst gesagt haben, ist Pater Carzo Exorzist. Da kann er sie bestimmt vor den Seelenräubern beschützen.«
»Ich fürchte, dass die Sache nicht so einfach ist.«
»Inwiefern?«
»Unmittelbar vor dem Start hat mir Pater Carzo gesagt, dass er zuvor in Amazonien war, wo er im Auftrag seiner Kongregation Nachforschungen in einem Fall von extremer Besessenheit anstellen sollte, zu dem es auf dem Gebiet der Yanonámi mitten im Urwald gekommen war. In diesem Zusammenhang hat er berichtet, dass sich eine sonderbare Krankheit im ganzen Urwald verbreite und alles Leben vernichte. Daraufhin habe ich mit unseren Leuten in Brasilien Verbindung aufgenommen. Sie haben einen Hubschrauber mit einer Gruppe von Spezialisten dorthin geschickt, die feststellen sollten, ob diese Krankheit durch ein tödliches Virus ausgelöst wird, das die Indios, auf welche Weise auch immer, aktiviert haben könnten. Diese Spezialisten haben mich vor einigen Stunden über ihr Satellitentelefon angerufen und mir mitgeteilt, dass sie sich im Gebiet der Yanonámi befinden und in den Ruinen eines alten Aztekentempels ein Heft Pater Carzos gefunden haben. Darin habe er alte Reliefs abgezeichnet, die er wohl irgendwo dort gesehen hatte. Sie haben mir über das Internet eine
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