Das Evangelium nach Satan
Kopie davon geschickt. Vermutlich ist Carzo bei dieser Gelegenheit mit jener äußersten Besessenheit in Verbindung gekommen, denn völlig unzusammenhängende Äußerungen und lästerliche Formeln füllen die auf die Bilder folgenden Seiten. Außerdem finden sich satanistische Darstellungen: ein Ungeheuer inmitten eines Kreises von Kerzen; Seelen, die Höllenqualen leiden, und ganze Felder von Kreuzen. Es sieht so aus, als hätte diese äußerste Besessenheit die Partie gewonnen und eine geheimnisvolle Kraft sich Carzos bemächtigt. Die letzte Zeichnung aber zeigt etwas anderes: einen tragischen Vorfall, zu dem es einige Tage zuvor in Hattiesburg gekommen war und von dem Carzo nichts wissen konnte.«
»Und worum ging es dabei?«
Crossman gibt Valentina eine Kopie des in Amazonien aufgefundenen Blatts. Darauf hatte Carzo vier in einer Krypta gekreuzigte Nonnen gezeichnet und ein fünftes Kreuz in der Mitte, an das eine nackte junge Frau genagelt war. Unten auf das Blatt hatte er in roten Buchstaben geschrieben:
∗ ∗ ∗
Maria Parks muss sterben.
19
Nach und nach löst sich Marias Geist von der eingemauerten Oberin. Der Geruch nach Wachs wird schwächer. An seine Stelle tritt der nach Salpeter und Moder, der sie am Anfang ihrer Trance begleitet hat. Sie hört in der Dunkelheit das Knistern der Fackel in Carzos Händen. Allmählich kommt sie wieder zu sich und merkt, dass sie sich in den Tiefen des alten Wehrklosters befindet. Dennoch hat sie den Eindruck, als strichen ihre Hände nach wie vor über die Mauer vor dem engen Gelass, als sei sie dort weiterhin mit Mutter Isolde gefangen, während sie zugleich auf der Steinbank sitzt, auf der sie langsam das Bewusstsein zurückgewinnt. Ihre Augen sind immer noch geschlossen. Jetzt sagt sie mit rauer Stimme: »Alfonso, ich weiß, wo das Evangelium ist.«
»Ich auch.«
Als sie Carzos Stimme hört, zuckt sie zusammen. Sie klingt tiefer als sonst, melodischer, zugleich auch kälter. Etwas hat sich geändert. Ein Geruch steigt ihr in die Nase, ein Geruch, als befinde sie sich in einer Krypta. Sie öffnet die Augen. Pater Carzo steht vor ihr. Er hat die Kapuze seiner Kutte über den Kopf geschlagen, um sein Gesicht zu verbergen. Seine Augen leuchten schwach in der Dunkelheit.
»Gegrüßet seist du, Maria.«
Sie hat den Eindruck, dass ihr Körper zu Eis erstarrt, als sie Kalebs Stimme erkennt. Sie versucht, ihre Pistole zu ziehen, und merkt dabei, dass sie sich nicht bewegen kann. Ihre Augen schließen sich wieder. Irgendwo in der Tiefe ihres Geistes streifen Mutter Isoldes Fingerspitzen nach wie vor über die Wände ihres engen Gelasses.
TEIL ZEHN
1
Von der Terrasse eines Restaurants in Castellamare di Stabia schweift Stuart Crossmans Blick über die Bucht von Neapel. Nachdem er von der Besprechung mit Valentina Graziano in sein Hotel zurückgekehrt war, hatte man ihm am Empfang gesagt, dass dort eine Mitteilung für ihn liege. Sie war auf Englisch abgefasst und lautete:
Der Schwarze Rauch ist an einer Stelle verwundbar.
Wenn Sie wissen wollen, welche das ist,
treffen Sie mich in einer Stunde
auf der Terrasse des Restaurants Frascati
in Castellamare di Stabia.
Lassen Sie die Polizei aus dem Spiel.
Es ist keine Zeit zu verlieren.
Kommen Sie allein.
∗ ∗ ∗
Er hatte nur wenige Sekunden gebraucht, um seinen Entschluss zu fassen und ein Düsenflugzeug zu chartern, das ihn vom Flugplatz Ciampino aus nach Neapel bringen konnte. Eine Dreiviertelstunde später hatte er am dortigen Flughafen einen Mietwagen genommen und war nach Castellamare di Stabia gefahren.
Er hatte dafür gesorgt, dass fünfzehn seiner Leute rund um das angegebene Restaurant Aufstellung nahmen. Es war zu einer Stunde noch offen, da die anderen Lokale an der Küste längst geschlossen hatten. Im Inneren war niemand. Crossman hat sich an einen Tisch auf der Terrasse gesetzt.
Er wartet schon eine ganze Weile. Ein Signalton in seinem Ohrhörer. Einer seiner Männer teilt ihm mit, ein Motorboot habe angelegt.
»Fünf bewaffnete Männer sind an Bord. Einer ist sehr alt. Was sollen wir tun?«
»Nichts.«
Ein erneutes Signal.
»Achtung, sie kommen.«
Crossman sieht im Licht der Laternen fünf Gestalten. Vier kräftig gebaute Männer. Auf zwei von ihnen gestützt geht der fünfte. Er hinkt.
»Hier Scharfschütze eins. Ich habe mein Ziel angesprochen.«
Crossman sieht rasch zum Dach des anderen Restaurants hinüber, auf dem der Mann bereitliegt. Der Alte und seine Leibwächter sind nur noch
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