Das Evangelium nach Satan
Maine die vier jungen Frauen ermordet aufgefunden, die Camano einige Wochen zuvor ausgesandt hatte, damit sie für die Wunder-Kongregation Nachforschungen über den Mord an Mitgliedern des Heiligen Ordens der Weltfernen Schwestern in den Vereinigten Staaten anstellten. Ihren Mörder, fährt er fort, habe ein Einsatzkommando des FBI erschossen. »Es war ein Mönch, Eure Eminenz.«
Mit geschlossenen Augen bittet Camano ihn, genau zu schildern, auf welche Weise die vier jungen Nonnen Mary-Jane Barko, Patricia Gray, Sandy Clarks und Dorothy Braxton ums Leben gekommen seien. Sein Herz klopft wild. Ganz wie von ihm befürchtet und vermutet, seien sie genau wie die Weltfernen Schwestern, deren Todesumstände sie hatten erkunden sollen, gefoltert und gekreuzigt worden. Außerdem habe der Mörder auch ihnen mit einem glühenden Eisen die Buchstaben INRI auf den Rumpf gebrannt.
Mit einem unangenehmen Geschmack im Mund beendet der Kardinal das Gespräch. Er muss unverzüglich Seiner Heiligkeit mitteilen, dass eine der entsetzlichsten Weissagungen der Kirchengeschichte vor der Erfüllung zu stehen scheint. Ausgerechnet jetzt, wenige Stunden vor Beginn des Dritten Vatikanischen Konzils! Seit Wochen strömen Hunderte von Kardinälen und Bischöfen aus der ganzen Welt zu einem der bedeutendsten Ereignisse der ganzen Christenheit zusammen. Immerhin geht es nicht nur darum, die Richtlinien für die Lehre festzulegen, sondern auch die Weichen für die Zukunft der römischen Kirche zu stellen. Immer wieder sieht man Gruppen in Kardinalspurpur gekleideter würdiger Herren auf dem Petersplatz und in den endlosen Gängen des Vatikans.
Camano macht seinem Fahrer, der ihm in gewisser Entfernung folgt, ein unauffälliges Zeichen. Unmittelbar, bevor er in den Wagen einsteigt, wendet er sich dem Standbild des Erzengels Michael zu, der die Engelsburg bewacht, einst die Festung Kaiser Hadrians, jetzt aber seit langem die Festung der Päpste. Im rötlichen Licht des frühen Morgens sieht es aus, als habe dieser oberste Ritter des Herrn die Lanze, die er schwingt, in ein Fass mit frischem Blut getaucht. Die letzten Zweifel des Kardinals sind verschwunden.
3
Auf Bannerman gestützt blinzelt Maria Parks ins grelle Licht der Leuchtstoffröhren. Ein Laken bedeckt Kalebs Leiche, die auf einem Seziertisch liegt, wo sich Bart Mancuzo und Patrick Stanton, die besten Pathologen des FBI, bereit machen. Sie hat schon des Öfteren mit ihnen zusammengearbeitet, wenn andere bei einer Leichenöffnung nicht die erwünschten Informationen hatten finden können. Dank der Arbeit dieser beiden Männer befand sich inzwischen ein Dutzend Serienmörder hinter Schloss und Riegel oder in einem plombierten Sarg. Wirklich verblüffend, was sich alles beim Sezieren von Organen und der Analyse von Blutproben herausbekommen lässt! Für Männer wie diese beiden schienen Hormone und Körperzellen keine Geheimnisse zu haben.
Während sich Doktor Mancuzo seinen Schutzanzug überstreift, den Mundschutz anlegt und die Plexiglasbrille aufsetzt, zieht sein Kollege Stanton, der bereits die Schutzkleidung trägt, das Laken beiseite. Maria erstarrt, als sie die Überreste des Gesichts sieht. Das also war der Mann, der sie fast umgebracht hätte! Eine Kugel ist durch das rechte Auge ausgetreten, eine weitere hat die Schläfen zerschmettert. Am Hinterkopf hat ein großkalibriges Geschoss einen großen Teil des Schädelknochens weggerissen. Die beiden letzten aus nächster Nähe unterhalb des Ohrs abgefeuerten Kugeln haben den Kiefer zerschmettert, sodass von Kalebs Gesicht nichts mehr zu erkennen ist als eins der blauen Augen, ein Stück der Stirn, eine Wange und eine Hälfte der Nase. Alles andere ist eine Masse rohen Fleischs, aus der Knochenreste und Zähne hervorstehen.
Der Mann ist kleiner, als Maria angenommen hatte, aber auch deutlich stämmiger. An Armen und Beinen sowie am Brustkorb hat er Muskeln wie ein Holzfäller oder Schmied. Nur viele Jahre schwerer körperlicher Arbeit können einem Menschen so außerordentliche Kräfte verleihen.
Marias Blick gleitet an Kalebs Körper entlang. Seinen Unterleib bedeckt eine dichte schwarze Behaarung. Noch im Tod erweckt das Ungeheuer den Eindruck der Brutalität. Doch weder das noch sein ungewöhnlich kräftiger Körperbau erfüllen Maria mit Entsetzen. Da ist noch etwas anderes, doch obwohl sie es fast mit Händen greifen zu können meint, weiß sie nicht so recht, was es ist. Erst als sie ihre Blicke auf Kalebs Haut konzentriert,
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