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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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Skelett und den Überresten seines Kiefers bereitgelegt haben. Eine Leuchtstoffröhre funktioniert nicht richtig, sodass das Licht flackert. Mancuzo klopft auf die Glasscheibe, und mit leisem Knistern schaltet sich die Röhre ein. Stanton sagt: »Begutachtung der vier Stunden nach Eintritt des Todes angefertigten Röntgenaufnahmen. Zähne und Kiefer. In den nicht von Kugeln getroffenen Bereichen fällt eine starke Lockerung der Zähne auf. An den erkennbaren Zähnen keinerlei Hinweis auf Sanierung. Man könnte annehmen, dass die Person nie einen Zahnarzt aufgesucht hat. Ebenfalls ist auffällig, dass keinerlei Abschleifungen und Ausbrüche zu beobachten sind, wie sie beim Verzehr harter Nahrung auftreten. Überdies erscheint die Kiefermuskulatur für eine so kräftige Person eher unterentwickelt. Das lässt den Schluss zu, dass sich das Objekt der Untersuchung überwiegend vegetarisch ernährt hat.«
    Während sich Mancuzo mit Haken und Zange in der Mundhöhle des Toten zu schaffen macht, ergänzt er: »Verfärbter und rissiger Zahnschmelz, weiches Dentin. Zahnfleisch stark zurückgegangen, Zahnhälse liegen frei. Zahlreiche Ulzerationen im Mundraum, die einen länger andauernden Mangel an Vitamin C vermuten lassen.«
    Ungläubig beleuchtet Stanton mit seiner Taschenlampe die Stelle, auf die Mancuzos von einer doppelten Latexschicht geschützter Finger zeigt. Dann sagt er: »Der Pathologe Stanton bestätigt, dass der Untersuchte die für Skorbut kennzeichnenden Schwellungen aufweist. Diese Mangelerkrankung tritt mittlerweile nur noch in Ländern auf, in denen besonders lange und schwere Hungersnöte herrschen. Der Tote dürfte sich überwiegend von Wurzeln, Knollenfrüchten und gekochtem Gemüse ernährt haben. Wenig oder kaum Obst. Wenig oder kaum Fleisch.«
    Mit einer Handbewegung unterbricht Mancuzo die Aufnahme und fragt leise: »Skorbut? Warum nicht gleich Lepra? Wann hast du das zuletzt an einer amerikanischen Leiche gesehen?«
    »Noch nie.«

6
    Die Tür zu den päpstlichen Gemächern öffnet sich. Der Boden knarrt. Der Privatsekretär flüstert Seiner Heiligkeit zu, dass alle Kardinäle versammelt seien und die Eröffnungszeremonie des Dritten Vatikanischen Konzils wie vorgesehen um sechzehn Uhr beginnen könne. Der Papst hebt den Kopf und macht eine schwache Handbewegung. Nachdem der Privatsekretär eine Karaffe mit Wasser auf einem Silbertablett vor ihn hingestellt hat, entfernt er sich. Die Türen schließen sich hinter ihm.
    Die Glocken der Peterskirche rufen zum Angelusgebet. Als sie verstummen, dringt erneut das Gesumm der Touristen vom Petersplatz bis in die Gemächer des Papstes, wo Kardinal Camano und der Heilige Vater einander in schweren Ledersesseln gegenübersitzen. Der Papst beugt sich zu seinem Besucher vor: »Was ich Ihnen jetzt sage, muss unbedingt unter uns bleiben. Vergessen Sie nicht, dass bei einem solchen Konzil sämtliche Wände Ohren haben. Haben Sie mich verstanden?«
    »Ja, Eure Heiligkeit.«
    Der Papst hebt die Karaffe, gießt Wasser in zwei Kristallgläser und bietet eines Camano an, der es auf das niedrige Tischchen neben sich stellt.
    »Die in unserer Kirche am meisten geheim gehaltene Angelegenheit geht auf den Tag von Christi Tod zurück. Den Evangelien zufolge hat er, unmittelbar bevor er den Geist aufgab, in der Todesqual die visio beatifica verloren, die unmittelbare Anschauung Gottes, die nur den Seligen zuteil wird, und damit seine Zuversicht, in die ewige Seligkeit einzugehen. Bis dahin hatte er nur die Augen zu schließen brauchen, um das Paradies und Gottes Engel vor sich zu sehen. Da er diese Gabe im Angesicht des Todes eingebüßt hat, nimmt man an, dass er die Menschen von diesem Augenblick an so wahrgenommen hat, wie sie waren: die johlende Menge zu seinen Füßen, die ihn trotz des Rings römischer Legionare um das Kreuz schmähte und bespie. Das also waren die Menschen, für die er starb. In der Schrift heißt es, dass er die Augen zum Himmel erhoben und ausgerufen hat: ›Eli, Eli, lema sabachthani?‹«
    »›Mein Vater, mein Vater, warum hast du mich verlassen?‹«
    »So lauteten seine letzten Worte. Danach ist er verschieden. Das jedenfalls ist die offizielle Fassung.«
    Schweigen.
    »Und wo liegt die Schwierigkeit?«
    »Darin, mein lieber Oscar, dass niemand genau weiß, was nach seinem Tod aus ihm geworden ist, wenn wir einmal von der offiziellen Fassung absehen.«
    »Ich kann Euch da, glaube ich, nicht folgen.«
    »In den Evangelien steht, dass die Römer

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