Das Evangelium nach Satan
gesagt?«
»Nein, Baudelaire.«
Schweigen. Camano räuspert sich leise.
»Ich bringe keine guten Nachrichten, Eure Heiligkeit. Wunder und Manifestationen des Satans werden auf der ganzen Welt immer öfter beobachtet.«
»Prophetische Zeichen?«
»Mehrere Nonnen des Heiligen Ordens der Weltfernen Schwestern sind in den letzten Monaten ermordet worden, und die vier Abgesandten der Wunder-Kongregation, die wir in die Vereinigten Staaten geschickt haben, damit sie der Sache auf den Grund gingen, haben dasselbe Schicksal erlitten.«
»Und …«
»Es ist dem FBI gelungen, den Mörder zu erschießen. Es handelt sich um einen Mönch mit satanistischen Zeichen auf dem Unterarm. Die Flammen der Hölle um die vier Buchstaben INRI herum. Das Symbol der Seelenräuber.«
»Großer Gott, was sagen Sie da?«
Camano springt dem Heiligen Vater bei, der bei dieser erschütternden Nachricht angefangen hat zu schwanken. Auf den Arm des Kardinals gestützt, geht der Greis schleppenden Schritts zu seinem Bett und setzt sich mit großer Mühe darauf.
»Eure Heiligkeit, wisst Ihr, warum die Seelenräuber die Weltfernen Schwestern ermorden?«
»Sie wollen sich wieder in den Besitz des Evangeliums bringen, das der Kirche vor über siebenhundert Jahren abhanden gekommen ist.«
»Was hat es damit auf sich?«
Ein Schatten legt sich auf die Züge des Papstes.
»Eure Heiligkeit, ich muss unbedingt wissen, wie mein Feind aussieht, wenn ich eine Möglichkeit haben soll, ihn zu bekämpfen.«
»Das ist eine sehr alte Geschichte.«
»Ich bin ganz Ohr.«
5
Der Pathologe Mancuzo bläst probehalber ins Mikrofon der mit dem digitalen Diktiergerät an seinem Gürtel verbundenen Sprechgarnitur. Eine grüne Diode leuchtet auf. Die Spracherkennung funktioniert also. Sobald die Speicherkarte voll ist, wird eine rote Diode aufleuchten. Während Stanton Mikroskope und Zentrifugen bereit macht, beginnt Mancuzo in der eiskalten Luft des Raums zu sprechen: »Autopsie des Mörders von Hattiesburg im Liberty Hall Hospital von Boston durch die Pathologen Bart Mancuzo und Patrick Stanton im Auftrag des Bezirkssheriffs von Hattiesburg und des Generalstaatsanwalts von Massachusetts. Bitte beachten, dass der Fall gemäß einer ausdrücklichen Anordnung des Direktors des FBI Stuart Crossman als streng geheim einzustufen ist. Daher darf nur ein entsprechend bevollmächtigter und vereidigter Justizbeamter diese Aufzeichnung in Schriftform übertragen.«
Mancuzo räuspert sich, während Stanton weiterspricht. »Die Autopsie dient nicht der Feststellung der Todesursache, da diese keinem Zweifel unterliegt. Wohl aber sollen in ihrem Verlauf möglichst viele Hinweise zusammengetragen werden, die zur Identifikation des Toten beitragen und die Motive erhellen können, aus denen heraus er seine Opfer ermordet hat.«
Während Stanton mit einer Digitalkamera mehrere Nahaufnahmen von den Stellen macht, an denen die Geschosse der FBI-Männer ausgetreten sind, hört man das Knistern des Blitzlichts und das Pfeifen, mit dem die Akkus den Kondensator wieder aufladen.
»Am Körper des Toten lassen sich ungleichmäßig verteilt siebenundsechzig Einschüsse und dreiundsechzig Austrittsöffnungen erkennen. Die meisten sind durch 9-mm-Geschosse sowie Gewehrmunition des Kalibers 5,56 verursacht, die auf eine Entfernung von etwa fünfunddreißig Metern abgefeuert wurden. Die übrigen, die sich auf den oberen Teil des Schädels und den Hirnstamm konzentrieren, gehen auf verstärkte Kugeln des Kalibers .45 Magnum und 9-mm-Parabellum zurück, die aus nächster Nähe abgefeuert worden sind.«
»Muss ja ein wüstes Geballer gewesen sein«, knurrt Mancuzo, während er die beiden verbleibenden Schädelöffnungen untersucht. »He, Parks! Warum haben deine Cowboys eigentlich nicht gleich zur Panzerfaust gegriffen, wenn sie schon mal dabei waren?«
Während er mit den Fingern im Inneren von Kalebs Schädel herumstochert, schließt Maria die Augen. Stanton legt das Sezierbesteck bereit. Da Mancuzo nichts gefunden hat, nimmt er eine Zange mit langen Schenkeln zur Hand, um tiefer in den Schusskanal vorzudringen. Als er sie herausholt, sieht Maria die Kugel, die er zwischen ihren Spitzen hält. »Das war’s. Die Ärzte Mancuzo und Stanton haben sich darauf verständigt, die Untersuchung der Todesursache hiermit zu beenden und auf die weitergehende Autopsie überzugehen.«
Die beiden Ärzte schalten Leuchttische ein, auf denen ihre Assistenten eine Reihe von Röntgenaufnahmen von Kalebs
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