Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
Vom Netzwerk:
doch uninteressant war, bat er darum, die Sache rückgängig zu machen. All das führte nicht nur dazu, dass er überlastet war, es hatte ihm auch viele Feinde eingetragen.
    Doch erschöpfte sich das Wirken dieser Kongregation keineswegs in der Untersuchung von Erscheinungen, die als Beweis für Gottes Existenz gelten konnten: Hinter dieser uferlosen Aufgabe verbarg sich genau genommen eine andere, die so gefährlich und undurchsichtig war, dass nicht einmal Kardinal Camanos Feinde ihre Tragweite ahnten. Sofern sich zeigte, dass ein und dasselbe Wunder im Laufe von Jahrhunderten immer wieder auftrat, vor allem aber, wenn es zugleich eine Manifestation des Teufels war – denn diese beiden im Widerstreit miteinander stehenden Erscheinungen versuchten einander zu besiegen –, bedeutete das, dass sich womöglich demnächst eine alte Weissagung erfüllen würde und die ganze Welt in Gefahr war. In solchen Fällen machten sich die Legionäre Christi daran, die Archive zu durchforschen, in denen die Schriften mit den Hinweisen auf das Bevorstehen großer Katastrophen aufbewahrt wurden: die Sintflut, der Untergang der Stadt Sodom, die Plagen, die das alte Ägypten heimgesucht hatten, und die sieben Siegel der Offenbarung des Johannes. Doch nicht nur in der Bibel genannte Vorkommnisse wurden dabei einbezogen, sondern auch die Weissagungen des Nostradamus, des Leonardo von Pisa, des Heiligen Malachias und anderer bedeutender Heiliger der Christenheit. Kurz, so groß war die Anzahl von Prophezeiungen, die Gottes Zorn auf die Menschen herabbeschworen, dass die Camano unterstellten hochqualifizierten Geistlichen über ihre eigentliche Aufgabe hinaus alle Hände voll zu tun hatten.
    Nun waren erst vor wenigen Monaten mehrere Legionäre Christi in Asien, Europa und Amerika mit solchen Hinweisen in Berührung gekommen. Menschen mit den Wundmalen Christi waren aufgetreten, es hatte geheimnisvolle Krankenheilungen gegeben, Standbilder von Heiligen hatten geblutet, und man hatte nicht nur von Friedhofsschändungen und satanistischen Opferungen berichtet, sondern auch von Fällen kollektiver Besessenheit. Hinzu kamen ganze Serien von Ritualmorden, die alle dem gleichen Muster folgten. Sie waren in Camanos Augen um so beunruhigender, als ihnen ausschließlich Nonnen zum Opfer gefallen waren, und das nicht irgendwelche. Dieser letzte Punkt hatte allgemeine Besorgnis ausgelöst. Vor einigen Wochen waren Geheimberichte von den Vorposten der Legion eingegangen, in denen es hieß, in mehreren Klöstern des Heiligen Ordens der Weltfernen Schwestern seien rund drei Dutzend Nonnen abgeschlachtet worden. Noch beunruhigender war, dass man sie eine wie die andere gekreuzigt und geschändet hatte, wobei sich zeigte, dass ihre Leiber von einer ungeheuren Kraft zerstört worden waren. Zudem hatte ihnen der Mörder mit einem glühenden Eisen die Buchstaben INRI in den Leib gebrannt, die Abkürzung, die von den Römern bei der Kreuzigung Christi auf einem Täfelchen über seinem Haupt angebracht worden war. Außer diesen vier Buchstaben hatte man auf dem Rumpf der Opfer ein Pentagramm gefunden, in dessen Mitte ein Dämon mit einem Bocksschädel prangte: das Symbol Baphomets. Dieser aber war der mächtigste aller Ritter des Bösen, der Erzengel des Satans.
    Da jene Ritualmorde in den geheimsten aller Nonnenklöster stattgefunden hatten, war es dem Vatikan bisher möglich gewesen, sie totzuschweigen. Doch würde sich diese Politik nicht beliebig lang fortsetzen lassen. Es war Camano bewusst, dass das Vorgehen in jedem dieser Mordfälle zu einer der in den Archiven der Wunder-Kongregation enthaltenen Weissagungen passte: Die Seelenräuber waren zurückgekehrt.
    Also hatte er seine Spezialisten an jene Orte gesandt, an denen sich die Morde den Berichten zufolge besonders häuften. Jetzt wartete er voll Ungeduld auf das, was weiter geschah.
    ∗ ∗ ∗
    All das geht Kardinal Camano durch den Kopf, während er den Fuß auf die Engelsbrücke setzt. Er hält einen Augenblick lang inne und sieht auf den vorbeifließenden Tiber hinab. In diesem Augenblick klingelt sein Mobiltelefon. Mit aufgeregter Stimme meldet sich Monsignore Giuseppe, sein Protonotar. Nach der Art zu urteilen, wie er spricht, könnte man glauben, er habe den Teufel gesehen.
    Kardinal Camano hört wortlos zu, während er unverwandt die steinernen Engel auf der Balustrade anblickt. Monsignore Giuseppe berichtet ihm, die amerikanische Bundespolizei habe in der Nähe von Hattiesburg im Staate

Weitere Kostenlose Bücher