Das Evangelium nach Satan
Kolumbus und Vespuccis in die Neue Welt gelangt waren, haben die Könige Spaniens und Portugals immer mehr Konquistadoren ausgesendet und sie mit der Vollmacht ausgestattet, in jene Länder vorzudringen und Beweise für den Januskult zu sammeln. Als Belohnung für diesen Dienst wurde ihnen das Recht zuerkannt, die besiegten Völker zu versklaven und alles, was sie an Schätzen fanden, für sich zu behalten. So kam es, dass im Laufe der Jahre Dutzende von Schiffen Überbleibsel des Januskults aus der Neuen Welt nach Spanien und Rom gebracht haben. In jener Zeit haben die Konquistadoren alles zerstört, was sich nicht transportieren ließ, und nach den Azteken und Inkas die Angehörigen aller Stämme abgeschlachtet, die von den Aposteln der Irrlehre missioniert worden waren.«
»Und sind alle Spuren verschwunden?«
»Wir sind nach wie vor wachsam und finanzieren noch heute eine Vielzahl archäologischer Grabungen auf dem ganzen Erdball, um uns zu vergewissern, dass nichts vom Janus-Kult übrig geblieben ist. Seit nahezu drei Jahrhunderten sind in dieser Richtung keine Hinweise mehr aufgetaucht. Doch wer weiß, auf was wir im Lauf der Zeit noch stoßen, wenn die Urwälder weiter so abgeholzt werden wie zurzeit.«
Schweigen.
»Verzeiht, Eure Heiligkeit, aber all das beweist weder, dass Christus nicht von den Toten auferstanden ist, noch, dass er sich am Kreuz von Gott abgewandt hat.«
»Immerhin besitzen wir nicht nur ein als echt erwiesenes Evangelium, welches das Gegenteil behauptet, sondern auch einen Schädel mit einer Dornenkrone, die man noch dazu genau an der Stelle gefunden hat, die jenes Evangelium nennt. Wie wollt Ihr das unseren Gläubigen erklären? Grundgütiger, Camano, stellt Euch den Tatsachen! Hört Euch in der Welt um! Was glaubt Ihr, was geschehen würde, wenn es den Kardinälen des Schwarzen Rauchs gelänge, diese Reliquien in ihren Besitz zu bringen und damit den Gläubigen auf der ganzen Welt zeigen zu können, dass die Kirche sie möglicherweise mehr als zweitausend Jahre lang belogen hat?«
»Warum sollten sie das tun?«
»Weil es sich um Fanatiker handelt, deren Ziel es ist, die Kirche zugrunde zu richten. Damit wollen sie nicht etwa selbst die Macht in die Hände bekommen, sondern die Kirche von innen heraus zerstören. Doch ist ihnen klar, dass sie sich dazu erst des Vatikans bemächtigen und einen der ihren auf den Stuhl Petri bringen müssten. Wenn es so weit ist, können sie alles enthüllen. Aus diesem Grund müssen sie unbedingt zuvor das Satansevangelium in ihren Besitz bringen, denn es enthält alle Beweise, die sie brauchen.«
»Niemand würde ihnen glauben.«
»Seid Ihr Euch da sicher? Habt Ihr nicht vorhin selbst gesagt, dass etwas dann wahr ist, wenn der Papst sagt, es sei so?«
»Ja, vorausgesetzt, es steht in Übereinstimmung mit der Heiligen Schrift.«
»Ach was, Oscar, auch sie ist nur Tinte und Papier. Wenn ein Papst des Schwarzen Rauchs in der Eucharistie-Feier das Satansevangelium aufschlüge und der Masse der Gläubigen dessen Inhalt enthüllte, würde ihr Glaube in wenigen Sekunden dahinschwinden, und sie würden sich begeistert der neuen Lehre anschließen.«
Die letzten Worte hat der Papst mit geschlossenen Augen gesagt. Seine Brust hebt und senkt sich so schwach, dass Camano fürchtet, er könne jeden Augenblick sterben. Dann flüstert ihm der Greis, zu: »Und was schlagt Ihr jetzt vor, Oscar?«
»Die Nachricht vom Mord an den Weltfernen Schwestern wird sich wohl rasch verbreiten. Dagegen sind wir machtlos. Was die Wunder und die Manifestationen des Teufels betrifft, können wir uns einstweilen den drängenden Fragen der Medien nach einer offiziellen Stellungnahme der Kirche entziehen. Wir werden eine Pressekonferenz einberufen, um Zeit zu gewinnen und dabei erklären, das Konzil werde sich mit diesen Vorfällen beschäftigen, damit geklärt wird, ob es sich um das Wirken Gottes oder um Dinge handelt, die außerhalb unserer Zuständigkeit liegen.«
»Ihr habt recht: Der Herr will uns nichts Böses. Wir sollten uns daher wohl auf das Wirken des Satans konzentrieren. Sofern es sich um Massenhysterie und nicht um Einzelfälle handelt, muss irgendwo ein Herd sein, von dem das Böse ausgeht.«
»Ihr meint, es ist eine Art religiöser Wahn, etwas wie Besessenheit?«
»Der Herr gebe, dass es sich nicht so verhält.«
Nach einer Pause will Camano wissen: »Und was gedenkt Ihr mit Bezug auf das bewusste Evangelium und den Janus-Schädel zu unternehmen?«
»Man
Weitere Kostenlose Bücher