Das ewige Leben
nützt das etwas, weil jetzt hat drinnen jemand den Fernseher abgedreht, und gleich darauf ist die Tür aufgegangen.
Mein lieber Schwan. Er hat sich gefragt, wie die Frau in den Campingwagen hineingekommen ist, weil sie war ungefähr dreimal so breit wie die Tür.
»Äh?«, hat sie gesagt. Aber nicht dass du glaubst unfreundlich, sondern wahnsinnig freundliches »Äh«, wie es überhaupt nur Leute zusammenbringen, die dreimal breiter als ihre Tür sind.
»Handlesen«, hat der Brenner gesagt und ihr alle fünf Finger entgegengestreckt.
»Äh?«
»Zukunft! Vergangenheit!«
»Kost Zwanzga.«
»Zehner«, hat der Brenner gesagt, weil er hat sich gedacht, fünf Euro Vergangenheit, fünf Zukunft, das muss reichen.
Die Zigeunerin hat ihre filterlose Zigarette mit einem einzigen Zug bis zur Hälfte weggeraucht, dass der Brenner beim Zuschauen fast einen Asthmaanfall gekriegt hat.
»Kost Zwanzga«, hat sie geantwortet, ohne dass der Rauch zurückgekommen ist, und der Brenner hat sich gefragt, wo tut die den Rauch hin.
»Fünfzehn.«
»Bist a Jud«, hat die Zigeunerin immer noch gleich freundlich gesagt und ist einen halben Schritt zurückgetreten, quasi Aufforderung an den Brenner: Quetsch dich an mir vorbei.
Wie er auf der anderen Seite von der Zigeunerin herausgekommen ist, war es auch nicht viel besser. Weil der enge Raum war mit so viel Plunder voll gestopft und hat derart nach Rauch gestunken, dass er Beklemmungen gekriegt hat.
»Sitz di«, hat die Zigeunerin gesagt und auf einen zerschlissenen Fauteuil gedeutet, auf dem der riesige Fernseher gestanden ist.
Der Brenner hat den Fernseher schnaufend auf den Boden gestellt, nicht ungefährlich, wenn du mit einer Kopfnarbe so schwer hebst, und dann hat er zugeben müssen, dass er schon lange nicht mehr so gemütlich gesessen ist.
Die Zigeunerin hat sich auf einem kleinen Hocker niedergelassen, der unter ihr völlig verschwunden ist, und zwischen ihnen war ein winziges Klapptischchen, auf das er seine fünfzehn Euro gelegt hat.
»Kost Zwanzga«, hat die Zigeunerin gelächelt und den Filter von einer Marlboro abgebrochen, quasi Eigenmarke Marlboro filterlos.
Der Brenner hat ihr das Geld gegeben, weil schließlich hat er sie ausfragen wollen, und da hat er sowieso damit gerechnet, dass er noch ein bisschen was drauflegen muss, wenn er irgendwas erfahren will.
Das Klapptischchen zwischen ihnen war ebenfalls voll geräumt mit Plunder. Aber nicht dass du glaubst, esoterischer Plunder, wie man es heute in den besseren Haushalten hat, sondern nur der Plunder, der herumliegt, wenn man keinen Platz hat, sprich Wäsche, Jause, Geschirr und ein kleines Jausenmesser mit rotem Plastikgriff und Zak-kenklinge, weil das sind die billigsten und besten Messer, ich verwende sie selber auch.
Er hat seine Hand auf den Tisch legen müssen, schön die Handfläche unter die Leselampe, und die Zigeunerin hat eine wahnsinnig dicke Brille aufgesetzt, weil die dürfte keine guten Augen gehabt haben. Sie ist ganz sanft mit ihren Fingern über seine Lebenslinie gefahren und hat dabei leise vor sich hin gepfiffen. Das ist dem Brenner schon ein bisschen eigenartig vorgekommen. Normalerweise war er es, der gepfiffen hat, weil alte Gewohnheit, und dann haben die anderen immer gefragt, was pfeifst du da. Aber jetzt auf einmal umgekehrt, und während die Zigeunerin seine Hand untersucht, pfeift nicht er, sondern sie pfeift.
»Was pfeifst du da?«
»Te me pijav laches rosnes«, hat die Zigeunerin leise gesungen, ein bisschen melancholisch, aber sehr schön.
»Kannst du mir sagen, was das auf Deutsch heißt?«, hat der Brenner sie gefragt. Weil er hat sich gedacht, das ist ein guter Einstieg, zuerst ein bisschen persönliches Gespräch, und nachher frage ich sie nach ihren verschwundenen Kollegen. Und Ohrwurm muss ich keine Angst haben, weil mich ja schon das Puntigamer-Lied zum Köck geführt hat.
Und sie wieder in ihrem Singsang: »Te me pijav laches rosnes, angla mande mire bersa dzan.«
»Was heißt das auf Deutsch?«
»Kost Zehner«, hat die Zigeunerin gesagt, ohne von seiner Hand aufzuschauen.
»Nicht so wichtig.« Weil der Brenner war jetzt persönlich gekränkt. Da zeigt man Interesse an der fremden Kultur, und dann soll man auch noch zahlen für seine Aufgeschlossenheit.
Ich weiß nicht warum, vielleicht ist eine Handleserin für so etwas doch sensibler, irgendwie dürfte sie ihm seine Gekränktheit angemerkt haben, weil jetzt hat sie es ihm einfach so gratis übersetzt.
Sie
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