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Das ewige Leben

Das ewige Leben

Titel: Das ewige Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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weg war sie. Die Soili. Die Wut nicht weg. Die Soili ist zwar weggegangen, aber sie hat die Wut nicht mitgenommen. Zuerst ist die Wut mit jedem Schritt, den die Soili näher gekommen ist, gewachsen, aber mit jedem Schritt weg vom Brenner ist die Wut erst recht gewachsen, sprich ewig wachsende Wut.
    Nur damit du verstehst, warum der Brenner jetzt das mit der Kugel getan hat. Also nicht dem Kripochef hineingeschossen. Obwohl man sagen muss, das wäre dem Aschenbrenner im Nachhinein sicher zehnmal lieber gewesen. Aber der Brenner hat nur die Kugel, die ihm der Professor Hofstätter so schön entfernt hat, aus seiner Jakkentasche gezogen.
    »Du hast der Zeitung erzählt, dass ihr die Kugel im Kopf vom Köck nicht gefunden habt.«
    »Freut mich, dass du schon wieder Zeitung lesen kannst. Das können viele nicht mehr, nachdem sie sich eine Kugel in den Kopf geschossen haben.«
    »Das ist sie«, hat der Brenner gesagt und seine eigene Kugel auf das Serviertablett gerollt. »Schön angekratzt von deiner Walther. Und das ist das Messer, mit dem ich es dem Köck herausoperiert habe«, hat er gelächelt und das Skalpell neben die Kugel gelegt.
    Am Blick vom Aschenbrenner hat der Brenner sofort erkannt, dass er ihn am falschen Fuß erwischt hat. Weil du darfst eines nicht vergessen. Mit nichts kannst du einen Menschen so fertig machen, als wenn du ihm Beweise für seine eigene Lüge auf den Tisch legst. Unmenschliches Einfühlen Hilfsausdruck. In seinem eigenen Polizeibericht hat der Kripochef geschrieben, dass der Stadion-Mörder die Kugel mit einem Operationsmesser entfernt hat, und jetzt hat der die Kugel derart erschrocken angeschaut, dass es für den Brenner endgültig keine Frage mehr war, wer die Kugel bei den Ermittlungen weggezaubert hat.
    »Moment, Brenner. Moment.«
    Der Aschenbrenner ist auf einmal so gelb geworden, als hätte sich über sein Gesicht ein zweites, totes Aschenbrenner-Gesicht gestülpt. Dabei hat er schon vorher nicht gut ausgesehen. Weil interessant. Wenn du jahrelang viel Wasser trinkst, lagert sich deshalb kein Alkohol in deinem Gesicht ab, aber wenn du jahrelang viel Alkohol trinkst, lagern sich ganze Schwimmbäder in deinem Gesicht ab. Weil von den verschiedenen Mitteln, die einem helfen, sein wahres Gesicht zu vergessen, kriegt man ganz unterschiedliche zweite Gesichter. Rotwein zweites Gesicht eher weißlich, Kokain zweites Gesicht eher rötlich. Also genau umgekehrt, wie das Mittel selber gefärbt ist. Nur beim Brigadier Aschenbrenner war sich der Brenner nicht ganz sicher, wo er sein Gesicht hergehabt hat, weil farblich sehr ins Gelbliche.
    »Moment«, hat der Brigadier Aschenbrenner noch einmal gesagt. »Moment, Brenner. Moment.«
    Das hat den Brenner schon damals in der Polizeischule bis aufs Blut gereizt, diese herablassende Art, wie der Aschenbrenner bei jeder Gelegenheit »Moment« gesagt hat. Immer mit dem Namen in der Mitte. »Moment, Saarinen. Moment.« Oder: »Moment, Köck. Moment.« Solche
    Typen werden Kripochef.
    Und ich muss auch sagen, das ist eine ganz eigene Menschengattung, die Moment-Sager, und man soll für jeden Moment im Leben dankbar sein, den man nicht mit einem Moment-Sager verbringen muss.
    Aber andererseits. Wenn jemand so frech zugibt, dass er am Tatort herumgeschnüffelt hat, und wenn dir als Kripochef jemand unterstellt, du hättest den Mord selber begangen und dann bei der Ermittlung die Kugel verschwinden lassen, würde dir vielleicht auch einmal ein »Moment« herausrutschen.
    »Moment«, hat der Hausherr jetzt noch einmal zu seinem Gast gesagt und geschnauft, als wäre ihm nicht einmal in seinem Paradies die Luft gut genug.
    »Moment.«
    Der Brenner hat sich gewundert, dass der Kripochef seine Nervosität überhaupt nicht verbergen kann. Weil ein drittes, ein viertes, ein fünftes »Moment«, das hat es früher nicht gegeben beim Aschenbrenner. In der Polizeischule hat er es immer nach dem zweiten »Moment« gut sein lassen. »Moment, Brenner. Moment.« So ist das gegangen, und etwas anderes wäre rein rhythmisch gar nicht möglich gewesen, darauf hätte der Brenner jetzt seine Ohren verwettet.
    Ich muss sagen, Hut ab, weil sonst der Brenner gar nicht so eine musikalische Superbegabung, dass man sagen müsste, absolutes Gehör auf beiden Ohren, und jede schlecht gestimmte Autohupe treibt den an den Rand des Selbstmordes.
    »Wenn ich mich nicht nach der Autohupe vor meinem Küchenfenster umgedreht hätte, wäre ich jetzt dort, wo der Köck ist. Und du könntest

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