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Das ewige Leben

Das ewige Leben

Titel: Das ewige Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Verbündeten gegen die Tochter gesucht. »Meine Tochter möchte nicht, dass ich meinen Schwiegersohn besuche.«
    Die Soili hat die Augen verdreht wie die reinste Hauptschülerin.
    »Aber was sagen Sie? Es ist bestimmt gut für ihn, wenn er viel Besuch kriegt. So was spürt man doch auch im Koma.«
    »Bestimmt«, hat der Brenner gesagt und der Soili gleichzeitig ein bisschen zugezwinkert, quasi: Mach dir nichts draus.
    »Ich hab ihm ein paar Orangen mitgebracht«, hat die nervöse Frau Mutter jetzt wieder zur Soili hingeflüstert, »und einen Kuchen hab ich ihm gemacht und ein paar Kekse.«
    »Du weißt aber schon, dass er künstlich ernährt wird.«
    »Eben«, hat die Mutter gesagt. »Er muss wenigstens ein richtiges Essen um sich haben, damit er wieder einen Appetit kriegt.«
    Die Soili hat wieder die Augen verdreht, das dürfte schon so eine Art Reflex bei ihr gewesen sein. Ihr war das natürlich peinlich vor dem Brenner, und an und für sich hätte er das bestimmt mit einer gewissen Bosheit genossen, aber blöderweise war ihm die ganze Situation noch peinlicher als ihr. Weil die kuchenbackende Schwiegermutter vom Aschenbrenner dürfte ungefähr im Alter vom Brenner gewesen sein, und sie hat jetzt auch noch gesagt:
    »Sie kommen mir so bekannt vor.«
    Bei der Soili schon wieder die Augen am Plafond, das hat wahnsinnig gut ausgesehen, wenn die genervt die Augen verdreht hat, jetzt hat der Brenner wenigstens nebenbei auch seine Freude gehabt, siehst du, das war schon wieder so ein kleineres Gefühl mitten in einem größeren Meer aus Peinlichkeit.
    »Mama, dir kommt jeder Mann bekannt vor.«
    Die Frau Marie hat gelächelt. »Meine Tochter schämt sich immer für mich. Aber ich kann mir nicht helfen, irgendwie kommen Sie mir so bekannt vor.«
    »Der Herr Brenner ist erst vor einem halben Jahr nach Graz gekommen.«
    »Ja, woher kommen Sie denn?«
    »Ich bin aus Wien«, hat der Brenner gelogen, quasi Rufselbstmord. Aber er hat es eben getan, weil er sich gedacht hat, dann ist mir die Soili wirklich was schuldig, wenn ich so weit für sie gehe.
    »Ich weiß schon, warum«, hat die Frau Marie auf einmal eine Erleuchtung gehabt. »Sie erinnern mich ein bisschen an den Vater von der Soili.«
    »Mama!«
    »Aber Sie brauchen keine Angst haben«, hat die Frau Marie gekichert, »der ist ja schon lange tot.«
    Dem Brenner ist aufgefallen, dass der Zitronenduft der Frau Marie sehr stark in Richtung Zitronenlikör gegangen ist, und wahrscheinlich war sie deshalb so mitteilsam, dass ihre Tochter sich vor Peinlichkeit gewunden hat.
    »Der Erwin freut sich bestimmt, wenn du ihm noch ein bisschen Gesellschaft leistest«, hat die Soili zu ihrer Mutter gesagt und gleichzeitig schon ihren Mantel angezogen und ihre Tasche geschnappt.
    »Ich müsste eigentlich schon längst weg sein.«
    Pass auf, das ist wirklich interessant. Männer können das nicht, aber Frauen können das. Auf so eine Art aufstehen und ihre Tasche nehmen und zur Tür gehen, dass du als Mann sofort weißt, wenn du nicht sofort aufhüpfst, hast du verloren.
    Draußen hat die Soili sich dann zehnmal beim Brenner für die Aufdringlichkeit ihrer Mutter entschuldigt. »Es ist unglaublich«, hat sie verlegen erklärt. »In letzter Zeit macht meine Mutter alle Männer an, die ihr unterkommen. Immer mit derselben Masche, dass sie wie mein verstorbener Vater sind.«
    »Ihre Jugendsünden müssen Sie mir jetzt leider ein anderes Mal erzählen«, hat der Brenner gesagt.
    Die Soili hat vorgeschlagen, er soll doch am Abend in ihrem Lokal vorbei schauen. Weil ob du es glaubst oder nicht, ihr hat die beste Bar in Graz gehört, das Pasolini. Und sie hat ihm jetzt erzählt, dass sie das Lokal vor ein paar Jahren von ihrer Mutter übernommen hat, und ein bisschen hat sie es schon durchklingen lassen: Wer ihre Pasolini-Bar nicht kennt, lebt auf dem Mond, weil wichtigster Treffpunkt der Stadt.
    Vielleicht war es dem Brenner doch ein bisschen peinlich, dass er ihre Wichtige-Leute-Bar nicht einmal vom Hörensagen gekannt hat. Weil warum sonst hätte er, bevor die Soili in ihren blauen Fiesta gestiegen ist, noch derart angegeben, was er früher für ein großer Kinogänger gewesen ist, quasi mit dem Pasolini auf du und du.
    Und das war nicht einmal gelogen. Du musst wissen, er ist irgendwann als junger Mann draufgekommen, dass bei den Frauen, also bei den damaligen Frauen muss ich sagen, ein Problemfilm eine weitaus bessere Wirkung gehabt hat als zum Beispiel ein richtiger Film. Manche waren

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