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Das ewige Leben

Das ewige Leben

Titel: Das ewige Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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gleichzeitig mit einer noch sanfteren Bewegung quasi helfend über ihre Hand streichen, das ist für meinen Geschmack das früheste. Aber Sterbezimmer, wo noch immer eine gewisse Hoffnung besteht, das ist schon ein bisschen ding.
    Und der Brenner hätte das auch nie getan. Nicht einmal beim Aschenbrenner. Zuerst war es überhaupt nur aus der Verlegenheit heraus, weil er vor der Soili verschleiern wollte, warum er eigentlich da war. Es war ihm wichtig, dass die Soili keinen Verdacht schöpft, deshalb hat er sich so angestrengt, dass er die richtigen Antworten gibt. Vielleicht nicht nur, das gebe ich schon zu. Natürlich, gefallen hat es ihm schon, dass er die Soili mit seinem Kommentar über das Barfußgehen so schön zum Lächeln gebracht hat, das ist klar, das wäre jetzt wieder übertrieben, wenn ihn das nicht einmal ein bisschen freuen dürfte.
    Und trotzdem dürfte der Brenner ein bisschen schuld-bewusst geschaut haben, weil die Soili hat auf einmal, also ich muss schon fast sagen, zärtlich gesagt: »Sie dürfen sich kein schlechtes Gewissen machen.«
    »Das ist leichter gesagt als getan«, hat der Brenner geantwortet, weil wenn du einmal mit dem Lügen angefangen hast, ist es oft schwer, dass du wieder herausfindest, und damit du nicht ins Schleudern kommst, heißt es dann: nur nicht bremsen.
    »Der Erwin war schon längere Zeit krank. Darum war er ja daheim, weil es ihm nicht gut gegangen ist.«
    »Ich mache mir schon Vorwürfe«, hat der Brenner gesagt. »Ich hätte unseren ermordeten Polizeischulkollegen nicht erwähnen sollen. Das hat ihn wahnsinnig aufgeregt.«
    Die Soili hat gleich wieder gegen die Tränen angekämpft. Bei der hat es im Moment wirklich wenig gebraucht, damit sie die Fassung verloren hat.
    »Und jetzt fang ich schon wieder damit an«, hat der Brenner gesagt. »Reden wir lieber von was anderem.«
    Siehst du, sie hätten sich schon Mühe gegeben, dass sie ein angemessenes Gespräch führen. Eine sachliche Konversation. Über den Sterbenden reden, über die Schuldgefühle, was man da eben so macht, damit man nachher erhobenen Hauptes sagen kann, wir haben im Sterbezimmer keine zu persönlichen Gespräche geführt.
    Aber ich sage immer, wenn es zwischen einem Mann und einer Frau einmal so weit ist, dass sich ein gewisses dings entwickelt hat, da kannst du machen, was du willst, es lässt sich nicht wegheucheln. Es wird immer wieder durchkommen. Da kannst du Gespräche und Themen zwischen die beiden schieben, so viel du willst, bei der ersten Gelegenheit ist es wieder da. Das musst du dir vorstellen wie ein ganz leises Surren, das man nicht hört, solange geredet wird, aber kaum wird es still, wieder das Surren.
    Du musst wissen, das ganz leise Surren der SterbeApparaturen vom Aschenbrenner ist ihnen wahnsinnig laut vorgekommen, wenn sie nicht geredet haben. Und da darf man ihnen nicht böse sein, dass sie das Surren übertönen wollten. Mit netten Gesprächen, ist ja nichts dabei im Grunde. Manchmal hat der Aschenbrenner ein bisschen aufgeschnauft, vielleicht dass er es doch mitgekriegt hat, wie gut die beiden sich unterhalten haben, ein versuchter Protestschrei, aber eher würde ich sagen, er hat nichts mitgekriegt, sondern rein körperlich, dass man als Schlaganfallpatient hin und wieder ein bisschen aufstöhnt.
    »Der Erwin hat mir viel von Ihnen erzählt«, hat die Soili gelächelt.
    »Das war bestimmt alles nicht wahr.«
    »Dass Sie früher immer zu den Bänken am rechten Mur-Ufer gegangen sind. Nie zu denen am linken.«
    »Was?«
    »Mit den Mädchen.«
    Unglaublich, das hat nicht einmal die Handleserin in seiner Vergangenheit gesehen. Und der Brenner selber hat das auch komplett vergessen gehabt. Aber in dem Moment, wo er sieht, wie die Soili errötet vor lauter Schreck, sie könnte zu weit gegangen sein, fällt es ihm wieder ein.
    »Daran kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern. Früher waren da ja überhaupt keine Bänke.«
    Ich muss sagen, rein sachlich hat der Brenner da nicht Unrecht gehabt. Zu seiner Zeit hat es eine Mur-Promenade in dem Sinn noch gar nicht gegeben. Aber trotzdem natürlich eine so faule Ausrede, dass die Soili aus dem Grinsen nicht mehr herausgekommen ist. Pass auf, sogar zu meiner Zeit sind wir am Abend schon gern zur Mur hinuntergegangen, weil Promenade vielleicht noch nicht, aber Grazer Mädchen natürlich immer schon eins a.
    Und der Brenner hat eben damals in dem Aberglauben gelebt, dass man bei einer Frau höhere Erfolgschancen hat, wenn man mit ihr

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