Das ewige Leben
verständnislos anschaut:
»Bei uns sagt man, in einem R-Monat soll man grundsätzlich nicht barfuß gehen. Auch wenn es schon warm ist.«
Der Tomas hat gelacht. »Ich kenne diese Regel. Aber nicht mit barfuß.«
»Sondern?«
»Mit Muscheln.«
Der Brenner hat geglaubt, der verarscht ihn, aber der Tomas hat ihm erklärt: »Die Schwester Vanessa hat mir das einmal gesagt. Nur in R-Monaten soll man Muscheln essen. In Nicht-R-Monaten ist es zu warm für Muscheln. Hast du schon einmal eine Muschelvergiftung gehabt?«
»Gibt es in eurer Sprache überhaupt R-Monate?«, hat der Brenner gefragt.
»Wir essen immer Muscheln«, hat der Tomas gegrinst.
Sie sind dann eine Weile stumm nebeneinander hergegangen, und nach einer Weile hat der Tomas zum Brenner gesagt: »Meine Tante hat gesagt, sie will dich vorher anschauen, bevor wir dich zu meinen Cousins führen.«
»Jetzt verstehe ich, warum die so viel über meine Vergangenheit gewusst hat.«
Der Tomas hat gelacht. »Die liest schon selber auch viel heraus. Aber ein bisschen was hab ich ihr schon erzählt. Du hast mich ja die ganze Zeit mit deinen Erinnerungen genervt. Polizeischule. Viel Moped. Wenig Mädchen«, hat der Tomas gelacht.
»Dir erzähl ich noch einmal was.«
»Meine Cousins haben manchmal für den Köck gearbeitet. Manchmal hat er sie im Stadion schlafen lassen. Und sie haben gesehen, wie du in der Früh auf dein Moped gestiegen bist. Am Abend hat der Köck ihnen dann erzählt, dass du dir in den Kopf geschossen hast.«
»Dir erzähle ich noch einmal was«, hat der Brenner noch einmal gesagt.
»War gut, dass du mir so viel erzählt hast, darum weiß ich, dass du meinen Cousins helfen willst. Sie haben Angst.«
»Vor wem? Vor dem Mörder oder der Polizei?« »Vielleicht vor beiden«, hat der Tomas gesagt.
Der Brenner hat dann im Gehen ein bisschen vor sich hingepfiffen, aber keine Reaktion vom Tomas. Jetzt der Brenner: »Kennst du das Lied nicht?«
»Doch«, hat der Tomas gesagt. »Darum trinke ich ja nichts mehr. Weil ich auch traurig werde vom Trinken. Es gibt wirklich viel bessere Drogen. Und dieses Lied gefällt mir so oder so nicht.«
»Wieso nicht? Ich hab es von deiner Tante.«
»Ja und? Müssen deshalb alle Zigeuner diese Musik mögen? Ihr hört ja auch nicht dauernd Volksmusik, oder?«
Jetzt ist der Brenner sich direkt ein bisschen ertappt vorgekommen. »Wir hören dauernd >Lustig samma, Pun-tigamerc, und ihr hört dauernd >Traurig samma, Puntiga-mer<.«
»Genau.«
»Welche Musik magst du denn?«, hat der Brenner gefragt.
»Jimi Hendrix.«
Mein lieber Schwan. Der Brenner hat nicht recht gewusst, ob er jetzt sagen soll, ich auch, oder ob das total blöd klingt.
»Ich auch«, hat er gesagt. Aber er hat gleich gemerkt, der Tomas glaubt es ihm nicht. »Du schaust ihm sogar ein bisschen ähnlich.«
»Aber mehr dem frühen Jimi Hendrix«, hat der Tomas gesagt. »Der alte ist mir ein bisschen zu kindisch.«
»Die falschen Drogen«, hat der Brenner gesagt.
»Vielleicht.«
»Das war aber schon eine super Zeit.«
Der Brenner hat sich ein bisschen geärgert, dass der Tomas nicht recht auf das Gespräch einsteigt, jetzt hat er das mit der Zeit gesagt, quasi, ich war persönlich dabei.
Aber es hat sich kein Gespräch entwickelt, der Tomas hat sich ein bisschen mit den anderen unterhalten, und der Brenner ist stumm vor sich hingetrottet.
»Wie weit ist es denn noch?«, hat er das Thema gewechselt, weil er hat sich gedacht, Hendrix beweise ich ihm ein anderes Mal. Ihm haben die Füße wehgetan, und er ist immer langsamer geworden.
»Da heißt es immer, ihr Zigeuner seid nur mit dem Mercedes unterwegs, aber wenn man einmal einen brauchte, habt ihr keinen mit.«
»Mercedes fahren wir nicht mehr. Mercedes zahlt jedem Zigeuner eine gewisse Summe, damit wir Audi oder BMW fahren.«
»Und beim Zug zahlen Sie euch noch nichts?«
»Beim Zug hinken sie noch nach. Die haben noch nicht die neuen Methoden.«
»In Graz haben sie ja vor ein paar Jahren wirklich jedem Bettler etwas gezahlt, damit er nicht bettelt. Das war eine wahnsinnige Aufregung wegen dem Bettlergehalt.«
»Da war ich noch nicht in Graz.«
Schau, der Tomas kann das nicht wissen, aber in Graz war das wirklich so ein Versuch, dass man den Bettlern die paar Schillinge von der Stadt gegeben hat, damit sie nicht betteln müssen und aus dem Stadtbild verschwinden. Natürlich ein Aufschrei in den Zeitungen, die haben gesagt, das können wir euch leider nicht erlauben.
»Bettlergehalt
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