Das ewige Leben
Brenner sich eingeredet, er hätte in den Worten, mit denen der Oberst Weblinger ihn vorgestellt hat, einen leichten Unterton gehört. Aber das ist das Verhexte an der Angst, man nimmt überall einen Unterton wahr. Und in den Augen vom Oberst Weblinger hat der Brenner jetzt wieder nichts erkannt, weil der hat genauso dumpf zurückgeschaut, vielleicht wollte er sich nur beweisen, er kann das genauso gut wie der echte Expolizist.
Wie der Oberst Weblinger ihm dann ein paar launige Fragen gestellt hat, war der Brenner sicher, dass er sich den Unterton nur eingebildet hat. Dass nur sein eigenes Unbehagen Schuld war an dem Gefühl. Weil wohl war ihm natürlich nicht in seiner Haut, es ist einfach nicht angenehm, als Spitzel auf das Podium zu steigen und so einem Idiotenverein beizutreten.
Da glaubt man immer, einem Spitzel macht das nichts, das gehört zu seinem Beruf, so wie es bei einem Arzt zum Beruf gehört, dass er Beine amputiert, Organe entfernt und als Dank dafür noch jedem sein Ohr leihen darf. Aber das stimmt nicht, einen Arzt zermürbt das auch, und beim Brenner hat man jetzt sehr gut gesehen, dem Spitzel macht es auch etwas aus.
Um es zu überspielen, hat der Brenner ein bisschen übertrieben ins Publikum gewinkt. Er hat geglaubt, jetzt hat er es hinter sich, er kann sich wieder vom Podium verziehen, aber da hat der Oberst Weblinger ihn zurückgehalten. Weil jetzt hat der Neue noch den Eid schwören müssen.
Der Oberst Weblinger hat eine Bibel auf den Tisch gezaubert, das Publikum hat applaudiert, der General und der Brigadier Würnitzer haben gelächelt, der Schiedsrichter hat gepfiffen, und der Brenner hat geglaubt, er träumt schlecht. Und wie zum Hohn haben seine Augen, die vielleicht unwillkürlich ein Tageslicht gesucht haben, jetzt auch noch die spiegelverkehrten Reklamebuchstaben entziffert, die den Blick in das Stadion versperrt haben. Ob du es glaubst oder nicht, »REM« ist da spiegelverkehrt gestanden, und natürlich war das nur ein kleiner Teil eines Reklamespruchs, der eine ganze Reihe von Fenstern undurchsichtig gemacht hat, aber der Brenner hat das noch aus der Polizeischule gewusst, REM-Phase, wo man im Aufwachen viel Blödsinn träumt, jetzt hat er gehofft,
gleich wache ich auf.
Aber er ist nicht aufgewacht, sondern der Oberst Weblinger hat ihm immer noch die Bibel für den Schwur hingehalten.
»Die Kappe«, hat der Oberst gesagt.
»Was?«
»Für den Schwur. Die Kappe abnehmen und die Hand auf die Bibel legen.«
Mein lieber Schwan. Die Kappe, die er dem Würnitzer in seiner Trafik abgekauft hat, ist wirklich kein Glücksbringer für ihn gewesen. Weil jetzt ist ihm nichts anderes übrig geblieben. Er hat seine linke Gesichtshälfte ein bisschen vom Weblinger weggedreht und gehofft, dass vielleicht doch schon genug Haare drüber gewachsen sind. Mit der rechten Hand hat er die Kappe gehalten, die linke hat er auf die Bibel gelegt. Natürlich nicht mit der Handfläche nach oben wie bei der Handleserin, sondern mit der Handfläche nach unten. Aber interessant.
Er hat wieder genau das gleiche Gefühl mitten in seiner Handfläche gehabt wie bei der Handleserin, wo er geglaubt hat, allein ihr Blick brennt ihm ein Loch in die Hand. Und während er noch gebetet hat, dass seine Haare die Schussverletzung verdecken, hat der Oberst Weblinger ihm schon die Hand mit seinem Militärmesser derart an die Bibel genietet, dass dem Brenner beim Davonrennen noch ein paar Schritte lang das heilige Buch an der Hand geklebt ist wie einem vergoldeten Evangelisten.
13
Der Tomas ist in seiner Wohnung auf der Couch gelegen, hat abwechselnd auf den riesengroßen und auf den winzig kleinen Bildschirm geschaut und sich gefragt, wo der Brenner steckt.
Also auf dem winzig kleinen Bildschirm hat er ihn ja gehabt. Du musst wissen, das war der Fotoapparat, den der Tomas im Schlamm vor dem Campingwagen seiner Tante gefunden hat, sprich der Fotoapparat des Hobbypolizisten Baumgartner, der sich fast an seiner eigenen Kamera verschluckt hat.
Und das Gute an diesen neumodischen Geräten ist ja, dass man sich die Fotos gleich in der Kamera anschauen kann, schön mit Datumsangabe noch dazu. Jetzt interessanter als die letzten Fotos, wo der Brenner mitten in der Nacht aus dem Campingwagen gekommen ist und wo man dann am allerletzten Bild überhaupt nur mehr verschwommen seine Faust gesehen hat, waren die Fotos zwei Tage vorher. Wo der Brenner die Handleserin das erste Mal besucht hat. Der Brenner beim Einsteigen, der
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