Das ewige Leben
wenn man bedenkt, dass mit der Pasolini-Bar der wichtigste Drogenumschlagplatz der Grazer Schickeria zufällig im Besitz der attraktiven Gattin des Grazer Kripochefs Aschenbrenner ist.«
Der Würnitzer hätte gern noch weitergeredet, aber es ist dann etwas passiert, was den Männern wahnsinnig gefallen hat. Aber nicht dass du glaubst, ich rede von dem eins zu null, das die Grazer draußen gerade geschossen haben. Bei einer vergebenen Chance kann man es akustisch ja nicht so leicht unterscheiden, weil beide Seiten aufstöhnen, aber bei einem Tor der Heimmannschaft weißt du es sofort.
Jetzt wenn es nicht das Tor war, was war es dann, das derartige Emotionen im Hauptquartier ausgelöst hat, dass der eine oder andere Hobbypolizist seine Baseballkappe noch ein bisschen tiefer in die Stirn gezogen hat, damit man es nicht so feucht in seinen Augen schimmern sieht?
Pass auf, der Oberst Weblinger ist zum Brigadier Wür-nitzer hinüber, hat ihm das Mikrofon aus der Hand genommen und hat als Betroffener, als einer der beiden Schwerverletzten, und auch im Namen des Schwerverletzten Baumgartner, wo er gesagt hat, ich bin mir ganz sicher, dass ich auch in seinem Namen spreche, den Brigadier zum Bleiben aufgefordert.
Und natürlich Applaus, dass dem Brigadier Würnitzer auf offener Bühne die Tränen heruntergelaufen sind, so etwas hat es in Graz noch nicht gegeben.
Und erst, nachdem der Brigadier Würnitzer gesagt hat, dieser gewaltige Vertrauensbeweis überzeugt ihn, dass er jetzt doch bleibt, ist langsam wieder Ruhe eingekehrt.
Da muss ich schon sagen, Hut ab vor dieser Führungsqualität, weil der Brigadier Würnitzer hat genau gewusst, wie er seine Truppe zusammenschweißt, gerade jetzt, wo vielleicht der eine oder andere durch die vielen Gewaltakte kalte Füße bekommen hat.
Aber der Würnitzer war dann emotional so aufgewühlt, dass er für die normalen Tagesordnungspunkte das Mikrofon doch dem Oberst Weblinger überlassen und sich wieder an den Tisch gesetzt hat, wo er vom General gleich herzlich umarmt worden ist.
Der Oberst Weblinger natürlich nicht halb so eine Persönlichkeit, ein bisschen steif ist er auf dem Podium gestanden, aber mit der Narbe hat er schon gut ausgeschaut, und die normalen Tagesordnungspunkte hat er tadellos über die Bühne gebracht.
Punkt eins, neue Kandidaten, weil nur nicht nachlassen, wenn die Drogenmafia glaubt, sie kann die Reihen lichten.
»Ich freue mich ganz besonders«, ist er gleich zur Sache gekommen, »dass ich euch schon heute, während unser Kollege Baumgartner noch im Krankenhaus liegt, einen neuen Aspiranten für den freiwilligen Dienst auf der Straße vorstellen kann.«
Jetzt neugierige Blicke und zaghafter Applaus, während der Oberst Weblinger dem Neuen gedeutet hat, er soll auf die Bühne kommen. Der Neue hat sich seine Kappe noch ein bisschen tiefer in die Stirn gezogen. Nicht, weil er Angst gehabt hat, man sieht ihm die Rührung an, sondern weil er Angst gehabt hat, seine neuen Kollegen erkennen ihn an der Schussverletzung, und dann natürlich gute Nacht.
»Und es ist nicht irgendwer, der unsere Reihen verstärkt«, hat der Oberst versucht, Stimmung für den neuen Mann zu machen. »Unser neuer Kollege ist sogar ein Vollprofi. Ich bin sicher, dass er es bei uns noch weit bringen wird. Seine Ausbildung hat er bei der Grazer Polizei genossen, als man dort noch wusste, wie man auf der Straße für Recht und Ordnung sorgt. Er hat sich aber rechtzeitig von diesem Verein verabschiedet, um unsere Reihen zu verstärken.«
Der Oberst Weblinger hat eine einladende Geste in die hinterste Reihe gemacht, und die X-ler gleich wieder sehr brav applaudiert, während der Brenner auf das Podium geklettert ist.
Ich glaube, der Brenner hat sie ziemlich beeindruckt, weil er dem Oberst Weblinger mit diesem dumpfen Bullen-Gesichtsausdruck in die Augen gestiert hat, den sie selber immer wieder vor dem Spiegel geübt und nie so recht zusammengebracht haben. Da war jetzt im Saal doch ein gewisser Respekt vor der über die Jahre gereiften Original-Mimik zu spüren, die nur entsteht, wenn ein Leben lang jedes bisschen Angst mit einer doppelten Portion Aggression überspielt wird.
Und sie haben ja nicht wissen können, dass der Brenner den Oberst Weblinger nicht aus polizeilicher Gewohnheit gar so forschend ins Visier nimmt, sondern schlicht und einfach aus Angst, er könnte ihn plötzlich wiedererkennen und sich auf offener Bühne für die Kopfnarbe revanchieren. Und irgendwie hat der
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