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Das ewige Leben

Das ewige Leben

Titel: Das ewige Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Grazer.
    Den Hobbypolizisten war das sowieso egal, weil seit sie wegen dem Köck-Vorfall die offizielle StadionGebäudeaufsicht wieder verloren haben, waren sie ein bisschen böse auf den Fußball. Die Stadionverwaltung hat den todesmutigen Einsatz vom Oberst Weblinger am Tatort nicht nur nicht honoriert, sie haben sogar ein paar kleinere Versäumnisse und Sicherheitsmängel, die bei der Gelegenheit zum Vorschein gekommen sind, zum Vorwand genommen, um den Vertrag zu kündigen, quasi: Seid froh, wenn wir euch nicht verklagen.
    Aber den Mietvertrag für das neue Hauptquartier haben sie nicht kündigen können. Und der Brigadier Würnitzer hat jetzt etwas gemacht, wo ich schon sagen muss, Hut ab: Das macht ihm nicht so schnell einer nach. Wie er nach einer ganz kurzen Pause aus heiterem Himmel mit bebender Stimme in das Mikrofon hineingesagt hat, dass er eine bittere Nachricht hat. Weil er muss sich aus der Führung des Vereins zurückziehen.
    Jetzt wirst du sagen, warum will der sich zurückziehen, wenn es doch gerade so gut läuft. Aber der hat sich das gut überlegt. Die Männer waren so still und betroffen wie ein Heimpublikum, das gerade ein Tor bekommen hat, draußen nicht diese Heimpublikumsstille, sondern nur die normale Stille eines Spieles, in dem schon länger nichts passiert ist, und der Würnitzer hat die Begründung ganz leise und immer noch mit zitternder Stimme in sein Mikrofon hineinsagen können:
    »Angesichts der Zuspitzung der Situation in den letzten Tagen kann ich die Verantwortung nicht mehr übernehmen. Ich kann beim besten Willen die Sicherheit für meine Männer nicht mehr garantieren in einer Stadt, wo wir von der staatlichen Exekutive nicht den geringsten Schutz zu erwarten haben.«
    Bei »Exekutive« sind im Saal ein paar höhnische Gluckser laut geworden, aber sonst nach wie vor absolute Stille.
    Der Würnitzer hat aber jetzt die Lautstärke doch wieder ein bisschen hinaufgedreht: »Die Grazer Sicherheitslage hat sich derart verschärft, dass wir in einer ein-zigen Woche -«
    Der Würnitzer hat für das Betonen der »ein-zigen Woche« fast eine halbe Woche gebraucht und dabei so erbost in das Publikum geschaut, als wäre von dort ein störender Zwischenruf gekommen, aber natürlich kein Zwischenruf, weil der zornige Blick hat ja nicht seinen Männern gegolten, sondern der Grazer Sicherheitslage.
    »- ich sage, in einer ein-zigen Woche zwei schwerstver-letzte Männer aus unseren Reihen zu beklagen haben.«
    Jetzt war natürlich der Teufel los, aber der Brigadier Würnitzer hat einfach in den Wirbel hineingesprochen: »Und wenn ich in der Zeitung lese, wenn ich im Radio höre, wenn ich im Fernsehen sehe, dass der Grazer Politik, dass der Grazer Polizei, dass sämtlichen Grazer Medien dazu nichts weiter einfällt, als dass wir selber Schuld daran sind, weil wir die Herren von der Drogenmafia provozieren, wenn alle diese gescheiten Herrschaften das so sehen und so sagen, dann muss ich mir doch als halbwegs intelligenter, zur Selbstkritik fähiger Mensch irgendwann die Frage stellen: Vielleicht haben sie Recht?«
    Absolute Stille. Und der General hat dem Brigadier Würnitzer jetzt einen sehr respektvollen Blick hinübergeschickt, weil der Würnitzer hat sich von der Stille im Saal unterbrechen lassen, als könnte er den rauschenden Proteststurm im Inneren seiner Männer hören. Und die schrille Schiedsrichterpfeife ist vom Schweigen des Würnitzer zu einem kindischen Spielplatzlärm degradiert worden.
    »Vielleicht muss ich einfach sagen«, hat der Brigadier Würnitzer nach der Unterbrechung weitergeredet, »alle diese gescheiten Herrschaften miteinander können sich doch gar nicht irren. Wahrscheinlich bin doch ich es, der sich irrt, wenn er die Lage unserer Heimatstadt zu schwarz sieht. Wahrscheinlich hat der Oberst Weblinger, der wie durch ein Wunder schon wieder hier bei mir auf dem Podium sitzen kann, wahrscheinlich hat der gute Weblinger sich die klaffende Wunde auf seinem Kopf selber zugefügt. Wahrscheinlich hat unser junger Kollege Baumgartner, der immer noch im Krankenhaus liegt, die Zigeunermafia zu sehr mit seinem Fotoapparat provoziert. Wahrscheinlich sind wir selbst Schuld, weil wir die Drogenhändler provozieren und so den Frieden stören, den die Grazer Kripo zum Wohl unserer Stadt mit der friedlichen Drogenszene geschlossen hat. Und wahrscheinlich haben wir uns mit der konsequenten Überwachung der Drogenlokale doch einer zu gewaltigen Provokation schuldig gemacht. Besonders

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