Das Exil Der Königin: Roman
durch die Wimpern zu ihm hoch. Er spielte mit dem Schwertheft und biss sich auf die Unterlippe.
»Nun«, sagte er schließlich. »Dann wollen wir doch mal einen Blick auf dich werfen.« Er streckte die Hand aus und schob ihre Kapuze zurück.
Raisa hob den Kopf, und ihre Blicke begegneten sich. Sie standen da und starrten einander an. Und dann lächelte Gerard Montaigne auf seine ihm eigene Weise, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Raisas Herz raste.
»Oh, Karn«, sagte er leise. »Ihr habt den größten Schatz von allen übersehen.«
Karn sah von Raisa zu Montaigne. »Was meint Ihr damit, Euer Gnaden? Wer ist sie?«
Montaigne blickte Raisa unverwandt an. Dann nahm er ihre Hand und zog sie an seine Lippen. »Prinzessin Raisa ana ’ Marianna«, murmelte er. »Willkommen im neuen Königreich von Arden.«
Karn sah Montaigne überrascht an. »Sie ist eine Prinzessin?«
Montaigne nickte. »Wir sind uns vor etwa einem Jahr auf dem Fest anlässlich ihres Namenstags begegnet, als sie in die Gesellschaft eingeführt wurde. Sie ist die Thronerbin der Fells.« Sein Blick wanderte prüfend an ihr auf und ab. »Sie war zwar deutlich besser gekleidet, als ich sie das letzte Mal gesehen habe, aber ein Irrtum ist ausgeschlossen.« Er packte ihr Handgelenk fester. »Aber wieso würde die Erbprinzessin der Fells mit Magiern durch Tamron reiten?«
Raisa wusste, dass es sinnlos war, weiterhin zu versuchen, ihre Identität zu leugnen. »Ich war in der Akademie von Odenford«, gab sie zu. »Ich reise für den Sommer nach Hause.«
Montaigne schüttelte ungläubig den Kopf. »Die Fells schicken eine behütet aufgewachsene junge Dame mit nichts als dieser Wache durch Tamron?« Er deutete auf die Bayars und die Manders.
»Tamron befindet sich nicht im Krieg, Eure Hoheit«, sagte Raisa und sah ihm mit einer Zuversicht in die Augen, die sie nicht empfand. »Ich hatte nicht damit gerechnet, unterwegs überfallen zu werden.« Sie nickte in Richtung von Wils leblosem Körper. »Ihr habt bereits ein Mitglied meiner Wache getötet. Jetzt, da Ihr wisst, wer ich bin, erwarte ich von Euch, dass Ihr uns unsere Reise ungehindert fortsetzen lasst.«
Montaigne lächelte; sein Gesicht erhellte sich siegesgewiss. »Ah, aber nein, Eure Hoheit. Das ist viel zu riskant, wie Ihr gesehen habt.« Er zog sie mit einer heftigen Bewegung zu sich hin und legte seine Hand unter ihr Kinn. »Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir unsere Unterhaltung über ein Bündnis zwischen Arden und den Fells fortsetzen – ein Bündnis, das durch unsere Heirat besiegelt werden wird.« Er lächelte. »Tamron, Arden und die Fells werden mein sein. Sämtliche Reichtümer der Bergminen, Befehlsgewalt über Amulettschwinger und dazu unbegrenzter Zugang zu magischen Artefakten. Und irgendwann werden wir über die Sieben Reiche herrschen.«
»Das wird nie geschehen«, sagte Raisa und reckte das Kinn.
»Wartet’s nur ab.« Montaigne übergab Raisa an Karn. »Schafft diese Magier und die Prinzessin über den Fluss und behaltet sie gut im Auge. Holt ihre Pferde. Wir unterhalten uns heute Abend weiter.« Gerard Montaigne zog seine silbernen Handschuhe zurecht. »Ah, Karn, das verändert alles.«
Karn packte Raisa am Arm und zog sie mit sich in Richtung Flussufer. Die anderen ardenischen Soldaten trieben Micah und die Übrigen hinter ihr her.
Tschack . Gleich hinter ihr fiel ein Soldat zu Boden; er griff mit beiden Händen nach einem Pfeil, der mitten aus seiner Brust ragte.
Tschack. Tschack. Tschack. Das Geräusch von Armbrüsten. Noch mehr Soldaten fielen.
»Eure Hoheit! Sucht Deckung!« Karn ließ Raisa los und schob seinen massigen Körper vor Montaigne, der nach seinem Schwert griff.
Die ardenischen Soldaten liefen hin und her und suchten nach einer Stelle, die ihnen Deckung gewähren würde, als ein Trupp berittener Soldaten aus dem Wald brach und sie zu überrennen drohte. Reiterlose Pferde rasten in alle Richtungen. Raisa rannte auf die Bäume zu, hin zur Straße, weg vom Fluss. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Micah Fionas Hand packte und sie mit sich hinter einen umgestürzten Baum zerrte.
Die Reiter trugen das Banner eines purpurrot-grauen Reihers, der mit ausgebreiteten Flügeln auf dem Wasser landete. Das Wappen des Königs von Tamron.
»Zu mir!«, rief Montaigne. Noch mehr ardenische Soldaten tauchten auf; sie kamen vom Fluss her. Eine richtige Schlacht entbrannte – der Rote Falke von Arden gegen den Reiher von Tamron.
Raisa rannte
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