Das Exil Der Königin: Roman
Blick auf Wasser. Es musste sich um den östlichen Zweig des Tamron handeln.
»Welcher Tag ist heute?«, fragte sie.
Micah lachte leise. »So lange hast du auch wieder nicht geschlafen, Hoheit. Wir haben uns gestern in der Bibliothek von Wien House getroffen und sind mitten in der Nacht aufgebrochen. Ich schätze, dass wir vier Tage bis Fetterford brauchen.«
»Willst du … heißt das dann, wir werden durch das Demonai-Vale reisen?« Raisa schöpfte neue Hoffnung. Wenn sie es dort irgendwie schaffte, von Micah wegzukommen, dann …
»Nein«, sagte Micah. »Wir werden nach Osten reiten, die Berge umgehen und dann dem Weg durch Delphi folgen. Ich habe keine Lust, auf irgendeinen Demonai zu stoßen.« Er zerrte an den Zügeln, und das Pferd wurde schneller, als es sich beeilte, die anderen einzuholen. Obwohl Raisa klein war, spürte Raider die Last von zwei Reitern.
Bestand irgendeine Aussicht darauf, dass Amon ihr folgen würde? Es kam Raisa unwahrscheinlich vor. Bis jetzt hatte sie es geschafft, Micah Bayar und den anderen Magiern aus Fellsmarch aus dem Weg zu gehen. Amon hatte keinen Grund, sie jetzt zu verdächtigen. Vielleicht kam er sogar auf den Gedanken, dass sie sich entschieden hatte, allein nach Hause zurückzukehren. Zweifellos suchte er sie, aber er hatte keine Ahnung, wo er suchen musste.
Würde er vielleicht durch die magische Verbindung zwischen ihnen erfahren, dass sie in Schwierigkeiten steckte? Würde diese Verbindung ihn zu ihr führen? Sie betete, dass es so war, und gleichzeitig machte sie sich Sorgen, was geschehen würde, wenn es so war.
Gegen Mittag machten sie Rast auf einer kleinen Lichtung zwischen der Straße und dem Fluss. Sie verzichteten auf ein Feuer. Raisa, Micah und Fiona standen zwischen den Bäumen und aßen kaltes Fleisch, Brot und Käse und spülten alles mit Apfelwein hinunter, während Wil und die Mander-Brüder die Pferde striegelten und zum Trinken an den Fluss führten.
»Jetzt, da ich wach bin, könnte ich auch selbst auf Switcher reiten, damit Raider nicht so müde wird«, schlug Raisa vor.
»O nein, Hoheit, ich genieße unser Zusammensein, und ich hoffe, das tust du auch.« Micah berührte ihre Wange mit seinen Lippen. »Ich glaube, Raider versteht das.«
Micah mochte zwar arrogant sein, aber er war ganz sicher nicht dumm.
Es war ein bewölkter, kühler Tag, und die Luft war derart feucht, dass es sich anfühlte, als würde man unter Wasser atmen. Raisa zitterte, und sie bekam eine Gänsehaut, obwohl es gar nicht so kalt war. Sie wischte sich nasse Haarsträhnen aus dem Gesicht und fühlte sich völlig verunsichert.
Fiona gab sich alle Mühe, Raisas Anwesenheit nicht zur Kenntnis zu nehmen, aber ihre Missbilligung war deutlich spürbar. Sie war eindeutig der Meinung, dass die Attentäter ihre Arbeit hätten erledigen sollen.
Raisa starrte in den Wald um sie herum und versuchte ihrerseits, Fiona zu ignorieren. Es war mühsam, das trockene Brot und den Käse zu schlucken. Schatten bewegten sich unter den Bäumen. Sie blinzelte, aber sie waren immer noch da; graue Schemen, die durch den Nebel schlichen. Graue Wölfe.
Es kam ihr so vor, als würde sie sie immer häufiger sehen – aber vielleicht war das auch nur eine Spiegelung des Weges, den ihr Leben jetzt nahm. Waren sie wegen ihrer gegenwärtigen unglücklichen Lage hier? Oder deuteten sie auf eine neue Bedrohung hin?
Die Wölfe umringten sie mit aus den Mäulern hängenden Zungen und angelegten Ohren, während sie Raisa mit ihren großen Köpfen in Höhe der Taille anstießen – so heftig, dass sie sie beinahe umwarfen.
»Ihr seid mir eine große Hilfe«, murmelte sie. »Wieso kann ich euch nicht beibringen, auf Befehl Magier anzugreifen?«
»Raisa?«, fragte Micah. Er berührte sie am Arm und wirkte leicht besorgt. »Hast du mit mir gesprochen?«
»Nein. Es war nichts.«
Sie drehte sich um und musterte wieder den Wald um sie herum. Selbst im Frühling, da noch nicht alle Bäume ausgeschlagen hatten, wirkte der Wald von Tamron dicht und bedrückend, als würde er sich einem von allen Seiten nähern.
»Ist etwas nicht in Ordnung, Hoheit?«, fragte Micah. »Du isst ja gar nichts.«
»Hörst du etwas?«, fragte Raisa. Im Wald war es still geworden, sogar die Vögel schwiegen jetzt auf unheimliche Weise. Auf Raisas Armen richteten sich die Härchen auf. Sie legte Micah eine Hand auf den Arm. »Gehen wir besser. Irgendetwas stimmt hier nicht. Ich glaube, wir sollten …«
Ihre Stimme brach ab, als
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