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Das fahle Pferd

Das fahle Pferd

Titel: Das fahle Pferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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fahren«, erklärte ich geduldig.
    »Aber du übertreibst den Umweg; wir sind schon weit in der New Kent Road.«
    Ich schaute mich um und musste zugeben, dass Hermia, wie üblich, Recht hatte.
    »Hier verirre ich mich immer«, seufzte ich entschuldigend.
    »Es ist wirklich verwirrend«, bestätigte sie, »immer rund und rund um Waterloo Station herum.«
    Als wir endlich zur Westminster Bridge zurückgefunden hatten, nahmen wir unser Gespräch über Macbeth wieder auf. Meine Freundin Hermia ist eine hübsche junge Dame von achtundzwanzig Jahren mit einem fast klassischen Profil und einer Fülle kastanienbraunen Haares, das sie im Nacken zu einem Knoten geschlungen trägt.
    Im »Fantasia« wurden wir wie alte Stammgäste empfangen und bekamen einen kleinen Tisch bei der roten Samtwand. Das Lokal ist sehr beliebt und die Tische stehen dicht beieinander. Als wir uns setzten, wurden wir von den beiden Gästen am Nachbartisch vergnügt begrüßt. David Ardingly ist Dozent für Geschichte in Oxford. Er stellte uns seine Begleiterin vor, ein außergewöhnlich attraktives Mädchen mit hochmodernem Haarschnitt – einer wilden Mähne, die ihr nach allen Seiten vom Kopf abstand. Doch seltsamerweise kleidete es sie gut. Sie hatte große blaue Augen und einen knallroten Mund, der meistens halb offen stand. Wie alle Freundinnen von David, die ich bis jetzt gesehen hatte, schien sie über alle Maßen dumm zu sein. David, der ein bemerkenswert kluger junger Mann ist, fand nur Erholung mit besonders albernen Mädchen.
    »Dies ist Poppy, mein Lieblingskätzchen«, lachte er. »Poppy, ich stelle dir Mark und Hermia vor; sei vorsichtig, was du sagst, die beiden sind sehr ernsthafte Leute. Ich wette, sie kommen soeben von Shakespeare oder einer Wiedererweckung von Ibsen.«
    »Stimmt: Macbeth im Old Vic«, erklärte Hermia.
    »Und wie fanden Sie die Vorstellung?«
    »Ausgezeichnet«, gab Hermia zurück. »Die Bankettszene habe ich noch nie so gut gesehen.«
    »Und die Hexen?«
    »Abscheulich wie immer!«
    David stimmte zu. »Ich weiß; sie tun so, als wären sie Dämonen aus der guten alten Pantomime. Man erwartet immer, dass jetzt die Fee auftritt und mit silberheller Stimme sagt: ›Seid unbesorgt! Das Böse soll nicht jubilieren…‹ Zum Schluss kommt Macbeth selber und wird triumphieren.«
    Wir lachten alle. Doch David, der eine rasche Auffassungsgabe besitzt, warf mir einen scharfen Blick zu.
    »Was ist los mit Ihnen, Mark?«
    »Nichts weiter. Es kam mir eben nur in den Sinn, was ich vor ein paar Tagen bereits über Hexen und Teufelsglaube hörte.«
    »Na, ich weiß jedenfalls, wie ich diese Hexen darstellen würde, wenn ich jemals Regie führen sollte.« David hatte sich früher viel mit Dramaturgie befasst.
    »Und zwar wie?«
    »Gar keinen Hokuspokus – einfach verschlagene alte Weiber, genauso wie die wirklichen Hexen in unseren Dörfern.«
    »Aber es gibt doch heute gar keine Hexen mehr«, meinte Poppy und riss die blauen Augen weit auf.
    »Das sagst du, weil du ein Londoner Kind bist, Poppy. Aber in jedem Dorf unseres guten alten England gibt es eine Hexe, darauf kannst du dich verlassen. Die alte Mrs Brown zum Beispiel, im dritten Häuschen auf dem Hügel. Den Buben wird verboten sie zu necken und von Zeit zu Zeit schenkt man ihr Eier oder einen Pudding. Denn wenn man sie ärgert …«, David bewegte drohend den Zeigefinger, »dann gibt die Kuh keine Milch mehr, die Kartoffeln gedeihen nicht oder der kleine Johnny bricht sich das Bein. Niemand wagt es, direkt zu sagen, Mrs Brown sei eine Hexe… aber jeder weiß es.«
    »Ach, du machst ja nur Spaß«, behauptete Poppy schmollend.
    »Nein, das ist so; nicht wahr, Mark?«
    »Sicherlich ist doch diese Art von lächerlichem Aberglauben heute ganz ausgerottet«, bemerkte Hermia zweifelnd.
    »Nicht in den abgelegenen Dörfern! Was meinen Sie, Mark?«
    »Sie mögen Recht haben, David«, sagte ich, »obschon ich gar nicht zuständig bin. Ich habe nie auf dem Lande gelebt.«
    »Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen«, kam Hermia auf den Ausgangspunkt zurück, »wie Sie die Hexen in Macbeth als gewöhnliche alte Weiber auftreten lassen könnten. Es muss sie doch auf jeden Fall eine Atmosphäre des Übernatürlichen umgeben.«
    »Oh, überlegen Sie doch«, gab David lebhaft zurück. »Es ist genau das Gleiche wie bei Verrückten. Wenn jemand herumtorkelt mit Stroh im Haar, sinnlose Worte ausstößt und wahnsinnig aussieht, wirkt das gar nicht erschreckend. Aber ich erinnere mich,

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