Das fahle Pferd
Hörer auflegte.
Während ich immer noch über diese zweite Erwähnung eines fahlen Pferdes nachgrübelte, läutete das Telefon wieder.
Diesmal war es Mr Soames White, der ausgezeichnete Rechtsanwalt meiner verstorbenen Patin, Lady Hesketh-Dubois. Er erinnerte mich daran, dass mir laut Testament das Recht zustünde, drei Bilder aus dem Nachlass auszuwählen.
»Die Sachen sind natürlich nicht besonders wertvoll«, erklärte der Anwalt in seinem melancholischen Ton. »Aber ich habe gehört, dass Ihnen einige Bilder der Verstorbenen besonders gut gefielen.«
»Ja, sie besaß ein paar sehr hübsche Aquarelle von indischen Szenen«, gab ich zu. »Ich glaube, Sie haben mir bereits darüber geschrieben – aber ich muss gestehen, dass ich es völlig vergessen hatte.«
»Sehr richtig. Die gerichtliche Bestätigung des Testaments ist jetzt eingetroffen und die Bevollmächtigten – zu denen ich selbst gehöre – werden einen Totalverkauf aller verbleibenden Effekten organisieren. Es wäre also wünschenswert, wenn Sie sich möglichst bald zum Ellesmere Square aufmachten und…«
»Ich gehe sofort«, versprach ich.
Es schien ein ausgesprochen schlechter Tag für meine Arbeit zu sein.
10
I ch trug die drei Aquarelle unter dem Arm und hatte eben die Haustür von Ellesmere Square 49 hinter mir geschlossen, als ich fast über jemanden stolperte. Ich entschuldigte mich höflich und ging weiter, um nach einem Taxi Ausschau zu halten – doch plötzlich klickte es in meinem Kopf und ich wandte mich rasch um. »Hallo – ist das nicht Corrigan?«
»Stimmt und Sie… ja, Sie sind Mark Easterbrook!«
Jim Corrigan und ich waren recht gute Freunde gewesen in Oxford, doch seit mindestens fünfzehn Jahren hatten wir uns nicht mehr gesehen.
»Es schien mir doch gleich so, als ob ich Sie kennen müsste, aber im ersten Moment konnte ich Sie nirgends unterbringen«, lachte Corrigan. »Ich lese gelegentlich Ihre Artikel und ich muss gestehen, sie gefallen mir.«
»Und was ist aus Ihnen geworden? Haben Sie sich tatsächlich der Forschung verschrieben, wie Sie es im Sinn hatten?«
Corrigan seufzte. »Nein. Die Sache ist zu kostspielig, wenn man auf sich selbst gestellt ist. Man müsste einen interessierten Millionär dafür finden oder sich einem Verband anschließen. Also bin ich Polizeiarzt geworden. Ganz fesselnde Angelegenheit, man sieht da eine Menge Verbrechertypen. Aber ich will Sie nicht mit meinem Beruf langweilen. Kommen Sie lieber mit zu einem kleinen Lunch.«
»Gern – aber Sie wollten doch eigentlich hier hineingehen?« Ich wies auf das Haus hinter uns.
Er zuckte die Achseln. »Unwichtig, ich wäre doch nur ein sehr ungebetener Eindringling gewesen.«
»Es ist kein Mensch dort außer einem Mädchen.«
»Das habe ich mir gedacht. Aber ich wollte versuchen, etwas über die verstorbene Lady Hesketh-Dubois herauszubekommen.«
»Nun, da kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen. Lady Hesketh war meine Patin.«
»Tatsächlich? Das nenne ich aber Glück. Wo wollen wir hingehen? Ich kenne da ein kleines Lokal beim Lowndes Square – nichts Großartiges, aber man bekommt dort eine besonders gute Fischsuppe.«
Wir ließen uns in dem kleinen Restaurant nieder. Ein dampfender Suppentopf wurde von einem blassen Burschen in französischer Fischertracht vor uns hingestellt.
»Wirklich herrlich!«, erklärte ich nach dem ersten Löffel. »Nun, Corrigan, was wollen Sie über die alte Dame erfahren? Und nebenbei: weshalb?«
»Das ist eine ziemlich lange Geschichte«, erklärte mein Freund. »Sagen Sie mir erst einmal, wes Geistes Kind die Lady war.«
Ich überlegte.
»Sehr altmodisch – viktorianischer Typ. Sie war die Witwe eines Exgouverneurs von einer unbekannten Insel. Sie war reich und liebte ihre Bequemlichkeit. Im Winter fuhr sie an die Riviera oder in ähnliche Gegenden. Ihr Haus ist entsetzlich, vollgestopft mit viktorianischen Möbeln und Silberzeug aus jener Zeit. Sie hatte keine Kinder, umgab sich aber dafür mit ein paar gut erzogenen Pudeln, die sie heiß und innig liebte. Eigensinnig und unerschütterlich konservativ. Freundlich, aber sehr selbstherrlich; wich nie von ihren Ansichten ab. – Was möchten Sie sonst noch wissen?«
»Darüber bin ich mir eben nicht klar«, seufzte Corrigan. »Ist es möglich, dass sie erpresst wurde?«
»Erpresst?« Höchstes Erstaunen lag in meiner Frage. »Das ist bestimmt das Letzte, das ich mir denken könnte.«
Nun hörte ich zum ersten Mal etwas über den Mord an Pater
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