Das fahle Pferd
Gorman und die Begleitumstände.
Ich legte meinen Löffel hin und erkundigte mich: »Haben Sie diese Namenliste?«
»Nicht das Original, aber eine Abschrift davon. Hier ist sie – lesen Sie selbst.«
Damit zog er ein Papier aus der Tasche und schob es mir herüber. Ich studierte die Liste eingehend.
»Parkinson? Ich kenne zwei Parkinsons: Arthur ist bei der Marine; der andere, Henry, steckt in irgendeinem Ministerium. Ormerod – es gibt einen Major Ormerod; er war seinerzeit Rektor, als ich in Sandford zur Schule ging. Harmondsworth? Kenne ich nicht. Tuckerton… doch nicht etwa Thomasina Tuckerton?«
Corrigan blickte mich neugierig an. »Könnte ohne Weiteres möglich sein, denn wir wissen nichts über sie. Wer ist diese Thomasina?«
»Sie ist vor etwa einer Woche gestorben; ich las es in der Zeitung.«
»Dann dürfte das keine große Hilfe sein.«
Ich las weiter. »Shaw – ich kenne einen Zahnarzt, der so heißt; außerdem gibt es den Rechtsanwalt Jerome Shaw. Delafontaine – den Namen hörte ich kürzlich, aber ich kann mich nicht erinnern, in welchem Zusammenhang. Corrigan…? Sollte sich das auf Sie selbst beziehen, mein Alter?«
»Ich hoffe nicht; denn ich habe das dumpfe Gefühl, dass es Unglück bringt, auf dieser Liste zu stehen.«
»Kann sein. Wie sind Sie übrigens auf den Gedanken gekommen, es handle sich dabei um Erpressung?«
»Das ist die Ansicht von Inspektor Lejeune. Es schien auch das Nächstliegende – aber es kann natürlich noch viele andere Möglichkeiten geben. Es könnte eine Zusammenstellung von Rauschgiftschmugglern sein oder von Süchtigen… tatsächlich überhaupt alles Mögliche. Eines steht jedenfalls fest: Diese Liste war so wichtig, dass Pater Gorman ihretwegen sterben musste.«
Neugierig erkundigte ich mich: »Nehmen Sie immer solchen Anteil an der eigentlichen Polizeiarbeit?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, im Allgemeinen nicht.«
»Und weshalb verhalten Sie sich in diesem speziellen Fall so ganz anders?«
»Das weiß ich wahrhaftig selbst nicht«, meinte Corrigan. »Vielleicht, weil mein eigener Name dabei ist. Hoch die Corrigans! Ein Corrigan versucht dem anderen beizustehen.«
»Beistehen? Das würde also bedeuten, dass Sie in dieser Aufstellung die Namen von Opfern erblicken… und nicht die von Bösewichtern? Das könnte doch auch sein, nicht wahr?«
»Sie haben vollkommen Recht. Es ist absolut lächerlich, in dieser Sache etwas mit Bestimmtheit behaupten zu wollen. Aber ich habe nun einmal das Gefühl, es müsste so sein – vielleicht, weil Pater Gorman damit zu tun hatte. Ich bin ihm zwar selten begegnet, aber er war ein prächtiger Mensch. Jedermann hatte Hochachtung vor ihm und seine Gemeinde liebte ihn aufrichtig. Ein richtiger Kämpfer vor dem Herrn. Ich werde den Gedanken nicht los, dass es bei dieser Liste um Leben und Tod geht.«
»Hat die Polizei denn noch gar nichts herausbekommen?«
»Sie strengt sich an, aber es geht sehr langsam voran. Hier ein paar Auskünfte und dort ein paar. Jetzt versucht man herauszukriegen, wo die Frau herkam, die ihn an ihr Sterbebett rufen ließ.«
»Wer war denn diese Frau – eine Mrs Davis, sagten Sie doch?«
»Anscheinend gibt es da nichts Mysteriöses. Sie war Witwe. Wir dachten zuerst, ihr Mann müsse etwas mit Pferderennen zu tun gehabt haben, aber das scheint nicht der Fall gewesen zu sein. Sie arbeitete für ein kleineres Marktforschungsunternehmen. Dort ist alles klar und einwandfrei. Angesehene Leute, wissen fast nichts über die Frau. Sie stammt aus dem Norden von England – Lancashire. Verblüffend ist eigentlich nur, dass sie so wenig persönliche Sachen besaß.«
Ich meinte achselzuckend: »Das dürfte für viel mehr Menschen zutreffen, als wir uns vorstellen.«
»Da haben Sie auch wieder Recht.«
»Sie beschlossen also, der Sache selbst nachzugehen?«
»Ich versuche nur, auf eigene Faust etwas herauszubekommen. Hesketh-Dubois ist ein ungewöhnlicher Name und ich dachte, dort könnte ich vielleicht etwas erfahren…« Er ließ den Satz unvollendet. »Doch das, was ich soeben von Ihnen gehört habe, hilft mir nicht weiter.«
»Auf alle Fälle war meine Patin weder süchtig noch schmuggelte sie Rauschgift«, versicherte ich. »Auch war sie bestimmt keine Geheimagentin irgendwelcher Art. Ihr Leben verlief viel zu langweilig, als dass man sie hätte erpressen können. Ich kann mir absolut nicht vorstellen, was eine Liste bedeuten könnte, auf der ihr Name steht. Ihr Schmuck war auf der Bank
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