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Das Falsche in mir

Das Falsche in mir

Titel: Das Falsche in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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Nummer kennt.
    Ihr Freund hat mit ihr Schluss gemacht. Sie hat noch Freundinnen, aber es sind weniger geworden. Selbst die Lehrerbehandeln sie anders. Nicht unfairer, aber vorsichtiger, als befürchteten sie, dass Teresa sie eines Nachts so massakrieren könnte wie ihr Vater Anne Martenstein und Karen Beck.
    Alle glauben, dass Karen Beck tot ist, Teresa glaubt das auch. Sie reden darüber, aber nicht mit Teresa. Wenn sie darüber reden und Teresa kommt dazu, schauen sie komisch und wechseln übertrieben deutlich das Thema. Manchmal kichern sie dabei, ob aus Verlegenheit oder aus Schadenfreude kann man nicht beurteilen. Vielleicht beides.
    Teresa biegt um die Ecke der Kaisergasse, an deren Ende sich die Schule befindet. Sie ist so völlig in Gedanken versunken, dass sie mit jemandem zusammenstößt. Ziemlich heftig sogar, sie tut sich weh dabei, rutscht aus und sitzt plötzlich im Schnee und weint. Jemand hilft ihr hoch, klopft den Schnee von ihrer Kleidung, aber Teresa weint immer noch. Sie weint sehr selten, aber wenn, dann kann sie oft nicht mehr aufhören.
    Jemand spricht mit ihr. So etwas wie »Es tut mir so leid, geht’s wieder?«. Was man eben so sagt. Teresa schaut auf den Schnee, der von ihren heruntertropfenden Tränen schmilzt, winzige, perfekt geformte Kristalle, die sich in Bächlein verwandeln. Sie wartet, dass der andere geht, aber er geht nicht.
    Sie merkt erst nach einer Weile, dass da immer noch jemand steht. Endlich sieht sie auf. Ein junger Typ schaut sie an, sein Alter kann sie schwer schätzen.
    Hastig steht sie auf. Er trägt eine coole Mütze, und darunter sieht sie in braune lächelnde Augen. Sie schätzt ihn auf Mitte zwanzig. Ein Student.
    »Hast du dir wehgetan?«
    »Nein. Geht schon.«
    Er gibt ihr ein Papiertaschentuch und sie schnäuzt sich.
    Seit langer Zeit macht sich jemand wieder Sorgen um ihr Befinden – also wirkliche Sorgen, nicht Pseudosorgen, wie der überforderte Schulpsychologe oder ihre egoistische Mutter, die nur an sich und ihre eigenen Probleme denkt.
    Aber dieser Junge strahlt Stärke aus. Und Sanftheit. Außerdem ist er hübsch, jedenfalls das, was man sieht. Der Mund ist schön und die Zähne regelmäßig und weiß. Unter der Mütze schauen dicke dunkle Locken heraus.
    »Soll ich dich in die Schule begleiten?«
    Sie fragt sich kurz, woher er weiß, wo sie hinmuss, aber angesichts ihres Alters, ihrer Schultasche und der Tageszeit gibt es ja nicht sehr viele andere Möglichkeiten.
    »Gehst du auch ins Palme?« So heißt ihre Schule, Hans-Palme-Gymnasium.
    »Nein«, sagt der junge Mann, und jetzt ist sich Teresa sicher: Er ist kein Schüler mehr.
    Er fasst sie ganz selbstverständlich unter den Arm und gemeinsam machen sie sich auf den Weg.
    Karen bleibt verschwunden. Es gibt unzählige Hinweise aus der Bevölkerung, die sich als wertlos erweisen. Jede falsche Beobachtung, jede im Brustton der Überzeugung vorgebrachte Zeugenaussage kostet die Polizei unverhältnismäßig viel Zeit.
    Andererseits sind sie abhängig von Zeugen, echten Zeugen, die wirklich etwas gesehen haben und sich nicht nur wichtigtun oder einsam sind und jemanden zum Reden brauchen. Karen wurde angeblich am Bahnhof, in einem Zug, unter der Rheinbrücke, einem stadtbekannten Treffpunkt von Drogensüchtigen, in einem Waldstück, in der Straßenbahn, im Museum, auf einer Party gesichtet.
    Keine dieser Behauptungen hält einer Überprüfung stand.
    Sina sieht auf ihren Tischkalender.
    Sie hat den Tag von Karens Verschwinden mit einem Rotstift umkringelt. Seit fünf Tagen ist das Mädchen abgängig, jeden Tag stirbt die Hoffnung ein Stückchen mehr, sie doch noch lebend zu finden. Karens Eltern sind nicht mehr im Revier aufgetaucht, aber sie werden auf Anweisung des Polizeichefs täglich von Kollegen besucht, die berichten, was die Sonderkommissionalles unternimmt, damit nur ja kein Eindruck von Untätigkeit entsteht.
    Sina trägt heute einen schwarzen Rock, der ihr ein bisschen zu eng ist, und darüber einen dicken schwarzen Pullover, der warm hält, aber sich nicht angenehm anfühlt. Die harte Wolle juckt sie am Hals, und gedankenverloren fährt sie immer wieder mit den Fingern unter den Rollkragen, um sich ausgiebig zu kratzen.
    Heute Abend wird sie rote Striemen haben.
    Sie beißt sich einen eingerissenen Fingernagel ab. Die Heizungsluft trocknet die Haut aus, und wie jeden Winter macht das ihre Nägel rissig.
    Sie sitzt allein im Büro, Gronberg hat sich krankgemeldet. Die Sonderkommission hat heute

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