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Das Falsche in mir

Das Falsche in mir

Titel: Das Falsche in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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schon zweimal getagt, ganz frühmorgens und am Nachmittag, aber es gibt nichts Neues zum Fall, nur viele, viele Spekulationen. Es ist ein leerer, sinnloser Tag, der endlos erscheint. Die Kollegen laufen herum und tun geschäftig oder vergraben sich mit wichtigtuerischen Mienen hinter Akten. Die Computer surren, Tastaturen klappern und Telefone klingeln, aber in Wirklichkeit befinden sie sich alle im Leerlauf. Ein Hamsterrad, das mit seiner endlosen Kreisbewegung Fortschritt simuliert.
    Es gibt keine einzige verwertbare Spur von Karen. Es ist, als wäre sie aus ihrem Leben herausgeschnitten worden wie aus einem Foto. Niemand hat sie wirklich gesehen, niemand von ihr gehört, auch wenn es sich so viele einbilden, einbilden wollen.
    Am schlimmsten sind die Verrückten, denkt Sina. Selbst ernannte Visionäre sind gerade das größte Problem der Sonderkommission, denn man wird sie so schwer los. Sie beginnen ihre Pseudoaussagen mit konspirativem Flüstern und werden dann immer lauter und aggressiver, hektischer und atemloser. Schließlich muss man den Hörer vom Ohr weghalten, um nicht taub zu werden.
    Diese Leute ziehen absurde, aber aus ihrer Sicht bestechend logische Verbindungen zwischen Karens Verschwinden und obskuren Geheimdienstaktivitäten. Sie fühlen sich verfolgt. Sie glauben, Karens Entführer hätten telepathisch mit ihnen Kontakt aufgenommen und hielten seither ihre Gedanken besetzt. Karen ist in einem Haus mitten im Wald gefangen, ein Geist hat ihre Seele gestohlen und ihre leere Hülle in einem See abgelegt, oder »die anderen« – wer immer »die anderen« sind – benutzen sie für Menschenversuche.
    Man kann sie nicht überzeugen. Man kann ihnen nur zuhören und irgendwann leise und sanft den Hörer auflegen und hoffen, dass sie nicht wieder anrufen oder – schlimmer noch – ins Revier kommen und sich so lange nicht abwimmeln lassen, bis man droht, im Liliengrund anzurufen, um sie einliefern zu lassen.
    Liliengrund, das weiß jeder in Leyden, ist das Viertel, in dem sich das psychiatrische Krankenhaus befindet, das praktischerweise genauso heißt. Es liegt außerhalb der Stadt mitten im Grünen, eine alte Fabrikantenvilla aus der Gründerzeit mit einer geschlossenen Forschungsabteilung für geisteskranke Schwerverbrecher, die aus dem ganzen Land kommen. Sina war schon mehrmals zu Ermittlungszwecken dort und brauchte anschließend immer ein, zwei Tage, um sich zu erholen.
    Eine Stunde später beschließt sie, nach Hause zu gehen. Sie hat Kopfschmerzen und ein seltsames Vorgefühl – als ob Gefahr drohe.
    Sina ist niemand, die auf solche Eingebungen viel gibt. Ihre Intuition hat sie schon so oft getäuscht, dass es, denkt sie, ziemlicher Wahnsinn wäre, ausgerechnet jetzt darauf zu vertrauen. Trotzdem zieht sie, als sie das Revier verlässt, ihren Daunenmantel enger um sich und setzt sogar die Kapuze auf, obwohl es gar nicht schneit. Als ob sie hoffen würde, dadurch unsichtbarer, unkenntlicher zu werden.
    Ihre Dienststelle befindet sich in einer Querstraße des Lessingdamms, nicht weit vom Bahnhof entfernt. Um nach Hause zu kommen, muss sie über die Brücke und dann durch das Bahnhofsviertel mit seinen kleinen arabischen und chinesischen Lokalen, den gammlig aussehenden Elektrogeschäften, wo vom Computer bis zum Haartrockner alles erhältlich ist, und den orientalischen Reisebüros mit den vergilbten Plakaten, die hauptsächlich vom Heimweh ihrer Klientel leben.
    Es ist kurz vor Ladenschluss, die Straßen sind voller Menschen mit dunklen, sehnsüchtigen Gesichtern. Sina läuft an ihnen vorbei, durch sie hindurch, vor ihr teilt sich das Menschenmeer und schließt sich hinter ihr: Ähnlich wie Karen hinterlässt sie keine Spur, es ist, als gäbe es sie nicht. Sie überlegt sich, wer sie vermissen würde, wenn sie jetzt auf Nimmerwiedersehen verschwinden würde, und erkennt, dass es niemanden gibt, dem sie fehlen könnte.
    Kollegen zählen nicht.
    Außer vielleicht Meret Giordano.
    Meret, was ist los?
    Nichts, wirklich nichts, vergiss es, ich bin …
    Was?
    Schlecht drauf. Was weiß ich.
    Du bist mehr als schlecht drauf. Du bist vollkommen verändert.
    Das bildest du dir ein, Sina. Lass uns über was anderes reden.
    Wir haben den ganzen Abend über was anderes geredet.
    Ja und?
    Du bist nicht bei der Sache .
    Aber da war der Abend schon mehr oder weniger zu Ende gewesen und Sina hatte den Eindruck, dass Meret vielleicht gar nicht in der Lage war, mehr zu sagen. Sie hatten sich vor Merets Haustür mit

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