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Das falsche Urteil - Roman

Das falsche Urteil - Roman

Titel: Das falsche Urteil - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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oder geschleppt ... durch überwuchertes und leicht ansteigendes Terrain. Es war nicht gerade ein gepflegter Wald, also war das keine leichte Aufgabe gewesen, das war klar. Wenn sich nicht mehrere daran beteiligt hatten, aber vermutlich handelte es sich doch um eine ziemlich große und starke Person. Wohl kaum um eine Frau, wohl kaum um einen Greis ... diesen Schluss durfte man doch immerhin wagen.
    Er erreichte die Fundstelle. Die rotweißen Bänder rahmten noch immer den Grabenabschnitt ein, doch es standen keine Wachen mehr hier. Drei oder vier Meter davor blieb er stehen. Betrachtete eine halbe Minute lang das düstere Bild und wünschte sich abermals eine Zigarette.
    Dann stieg er über den Graben und bahnte sich einen Weg in Richtung Reitweg. Dem Weg des Mörders, vermutlich. Er brauchte sieben oder acht Minuten dafür und zog sich allerlei Kratzer an den Händen und im Gesicht zu.
    Wenn wir die Leiche sofort gefunden hätten, dachte er, dann hätten wir den Weg des Mörders Meter für Meter verfolgen können.
    Aber jetzt war das natürlich unmöglich.
    Unmöglich und vermutlich wohl auch nicht von wirklicher
Bedeutung. Wenn sie diesen Fall je klären könnten, dann nicht mit Hilfe einiger abgeknickter Zweige. Derzeit jedoch, daran konnte es kaum einen Zweifel geben, befanden sich das Verbrechen und sein Täter endlos weit weg. In Zeit und Raum.
    Vom Opfer ganz zu schweigen.
    Er machte sich wieder auf den Weg zurück zum Parkplatz.
    Wenn nun niemand den Toten vermisst, dachte er dann plötzlich. Wenn nun niemand sein Verschwinden bemerkt hat.
    Einfach niemand.
    Diesen Gedanken wurde er nicht wieder los. Und wenn ihn dieses fette Kind nicht entdeckt hätte, dachte er dann weiter, dann hätten noch Jahre vergehen können, ehe jemand ihn vermisst hätte. Oder gefunden. Eine Ewigkeit. Und während dieser Zeit hätten Verwesungsprozess und andere Ursachen ihn ganz einfach verschwinden lassen können. Warum nicht?
    Abgesehen von den Knochenresten, natürlich. Und einem grinsenden Totenschädel.
    Und dann hätte niemand je auch nur einen Finger zu rühren brauchen.
    Das war keine angenehme Vorstellung. Er versuchte sie zu verdrängen, aber an ihrer Stelle tauchte vor seinem inneren Auge der klinisch angestrahlte Operationstisch auf, und der schlaffe, betäubte Körper darauf war sein eigener.
    Und der grün gekleidete Fremde beugte sich mit seinen scharf geschliffenen Messern über seinen Bauch.
    Er ging schneller. Die Dämmerung hatte schon eingesetzt, und als er zwanzig Minuten später vor dem Eisenbahnkiosk stand, um Zigaretten zu kaufen, trafen die ersten Regentropfen auf seine Hand auf.

7
    Nach einigem Nachdenken beschloss Rooth anzurufen, statt einen Besuch zu machen. Bis Blochberg waren es immerhin fünfzehn Kilometer und es war fast halb acht Uhr abends.
    Als er danach den Hörer aufgelegt hatte, war er immerhin dankbar dafür, dass seine Gesprächspartnerin nicht wusste, wie er aussah. Und wenn er Glück hatte, dann hatte sie seinen Namen auch nicht richtig verstanden, er hoffte zumindest, den so rasch hingenuschelt zu haben, dass das der Fall war.
     
    Es war nämlich kein vom Glück begünstigtes Gespräch gewesen.
     
    »Hallo?«
    »Frau Menhevern?«
    »Marie-Louise Menhevern, ja.«
    Die Stimme klang scharf und abweisend.
    »Hier spricht Inspektor Rooth von der Kriminalpolizei. Ich rufe wegen einer Vermisstenmeldung an. Sie haben mitgeteilt, dass Sie Ihren Mann vermissen, Claus Menhevern, seit Juni letzten Jahres, stimmt das?«
    »Nein, ich habe nie behauptet, dass ich ihn vermisse. Sondern nur, dass er verschwunden ist.«
    »Seit Juni 1993?«
    »Ja, sicher.«
    »Und er ist nicht wieder aufgetaucht?«
    »Nein.«
    »Sie haben auch nie wieder von ihm gehört?«
    »Nein. Sonst hätte ich das natürlich mitgeteilt.«
    »Und Sie haben keine Vorstellung davon, was ihm passiert sein kann?«
    »Doch, ich nehme an, dass er mit irgendeiner Frau durchgebrannt ist. Das würde ihm ähnlich sehen.«
    »Ach. Und wo könnte er sich wohl aufhalten?«

    »Woher soll ich das wissen, Herr Wachtmeister. Und stimmt es überhaupt, dass Sie von der Polizei sind?«
    »Sicher.«
    »Und was wollen Sie von mir? Haben Sie ihn gefunden?«
    »Das kommt darauf an«, sagte Rooth. »Wie viele Hoden hat er?«
    »Was zum Teufel soll das denn?«
    »Ja, ich meine natürlich, die meisten haben ja zwei ... er hatte sich nicht einen wegoperieren lassen oder so?«
    »Warten Sie nur, ich kann feststellen, woher Sie anrufen.«
    »Aber liebe Frau

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