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Das falsche Urteil - Roman

Das falsche Urteil - Roman

Titel: Das falsche Urteil - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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und in Erfahrung gebracht, dass im Land wohl zwischen neunhundert und tausend Männern im fraglichen Alter aus verschiedenen Gründen ein Hoden fehlte. Das war eine um einiges größere Anzahl, als er angenommen hatte, und es hatte sich als mehr oder weniger unmöglich erwiesen, sie mit Hilfe von Krankenberichten
ausfindig zu machen, zumal auch die ärztliche Schweigepflicht zu bedenken war. Münster hatte sich an drei oder vier Gefängnisdirektoren gewandt und feststellen müssen, dass Kontrolle und Registrierung der Geschlechtsorgane der Insassen ein bedauerlich vernachlässigter Teil der Rechtspflege war.
    »Ist doch sowieso ziemlich sinnlos, die Gefängnisse durchzuwühlen«, meinte Münster. »Das mit den Fingerabdrücken ist schließlich auch nur eine Annahme.«
    Van Veeteren nickte.
    »Und der Teppich?«, fragte er.
    »Tja«, sagte Münster. »Über den wissen wir natürlich eine ganze Menge. Möchte der Kommissar das hören?«
    »In groben Zügen, bitte.«
    »Viehhaarteppich. Ziemlich schlechte Qualität, war irgendwann mal blau und grau. Hundertsechzig mal hundertneunzig Zentimeter. Zwischen dreißig und vierzig Jahre alt, nehmen wir an. Kein Firmenetikett oder so, war schon ziemlich verschlissen, ehe er zum ... Einwickeln benutzt wurde.«
    »Hm«, sagte Van Veeteren.
    »Es gibt Spuren von Hundehaaren und fünfzig anderen Dingen, die man in jedem Haushalt findet. Braune Paketschnur, übrigens. Damit ist er zugebunden worden, klar. Doppelt gewickelt, damit sie hält. Ganz normale Sorte. Davon werden an die zweihunderttausend Meter verkauft ... im ganzen Land, meine ich.«
    Der Kommissar steckte sich eine Zigarette an.
    »Noch mehr von Meusse?«
    »So einiges«, sagte Münster. »Sie haben eine DNS-Analyse durchgeführt und den gesamten genetischen Code ermittelt, wenn ich das richtig verstanden habe. Das Problem ist nur, dass wir keine Vergleichsmöglichkeiten haben. Kein Register.«
    »Gott sei Dank«, sagte Van Veeteren.

    »Finde ich ja auch«, sagte Münster. »Aber im Grunde wissen wir alles, was es über diesen verdammten Kadaver zu wissen gibt.«
    »Nur nicht, wem er gehört hat«, sagte Van Veeteren.
    »Nur das nicht, nein«, seufzte Münster.
    »Wissen die Medien das mit der Hodengeschichte? Ich habe nichts gesehen.«
    »Nein«, sagte Münster. »Das wollten wir erst mal für uns behalten. Um sicher zu sein, wenn der Richtige auftaucht, aber ich glaube, es ist doch ein wenig durchgesickert.«
    Van Veeteren dachte noch eine Weile nach.
    »Muss verdammt einsam gewesen sein«, sagte er dann. »Unvorstellbar einsam.«
    »Ich habe über Leute gelesen, die zwei oder drei Jahre tot in ihrer Wohnung gelegen haben, und niemand hat sie vermisst«, sagte Münster.
    Van Veeteren nickte düster und bestellte noch zwei Bier.
    »Ich weiß nicht, ob ich ...«, sagte Münster zaghaft.
    »Ich geb einen aus«, erklärte der Kommissar und damit war der Fall erledigt. »Glaubst du, dass er überhaupt vermisst gemeldet worden ist? Irgendwo?«
    Münster schaute aus dem Fenster und dachte nach.
    »Nein«, sagte er. »Ich habe mir das lange überlegt und glaube es eigentlich nicht.«
    »Kann natürlich auch ein Ausländer sein«, meinte Van Veeteren. »Die Grenzen sind doch heute so offen, dass jeder mit einer Leiche im Kofferraum angefahren kommen kann.«
    Münster nickte.
    »Und wie wollt ihr jetzt weiter vorgehen?«
    Münster zögerte.
    »Tja, die Sache auf Eis legen, nehme ich an. Rooth sitzt schon an einem anderen Fall. Ich vermute, dass Hiller mich von übermorgen an in eine andere Einsatzgruppe stecken will. Und unser Mann kann solange in der Kühlhalle liegen und auf den nächsten Zufall warten.«

    Van Veeteren nickte beifällig.
    »Gut, Polizeidirektor«, sagte er und hob das Glas. »Verdammt gut formuliert. In der Kühlhalle liegen und auf einen Zufall warten – es ist wohl nicht so ganz nach Plan ausgefallen, das mit dem Leben nach diesem. Aber auf jeden Fall Prost!«
     
    »Und der Kommissar kann mir keinen guten Rat geben?«, fragte er, als sie das Lokal verließen.
    Van Veeteren kratzte sich im Nacken.
    »Nein«, sagte er. »Du sagst es ja selber. Man muss auch Geduld haben können. Die Hühner legen nicht schneller Eier, wenn wir sie dabei anglotzen.«
    »Woher nimmt der Kommissar nur die vielen Vergleiche?«
    »Keine Ahnung«, sagte Van Veeteren zufrieden. »Das ist so bei uns Poeten. Es fliegt uns einfach zu.«

9
    Auf das erste Zeichen hatte sie nicht geachtet. Es hatte nur aus einigen Zeilen

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