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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornell Woolrich
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noch schlimmer,
wenn er sie bat, sich an einem anderen Ort mit ihm zu treffen? Wenn sie ihn
wieder hier unten allein ließ, allein mit dem Grauen, das dort drüben vor sich
hin tickte. Kein Kind hatte je so große Angst davor, im Dunkeln allein gelassen
zu werden, davor, daß die Eltern das Licht ausknipsten und der Schwarze Mann
kam und es holte, wie dieser Erwachsene bei dem Gedanken, sie könne aus dem
Haus gehen und ihn allein zurücklassen.
    Es klingelte noch ein paarmal, und dann
hörte er sie die Treppe herabeilen. Er konnte jedes Wort, das sie sagte, bis
hier herunter hören. Diese hingeklatschten Sperrholzhäuser.
    »Hallo? Dave? Ich bin eben erst
zurückgekommen .«
    Dann: »Oh Dave, ich bin ganz
durcheinander. Ich habe 17 Dollar oben in der Kommode gehabt, und die sind
verschwunden, und die Armbanduhr, die Paul mir geschenkt hat, auch. Sonst fehlt
nichts, aber es sieht so aus, als wäre eingebrochen worden, während ich weg war .«
    Unten im Keller krümmte sich Stapp
schier vor Freude. Sie wußte, daß Einbrecher im Haus gewesen waren! Jetzt würde
sie die Polizei rufen! Und die würden sicher das ganze Haus durchsuchen, würden
ganz bestimmt auch hier nachschauen und ihn finden!
    Der Mann, mit dem sie sprach, hatte sie
offenbar gefragt, ob sie sicher sei. »Ich kann ja nochmal nachgucken, aber ich
bin sicher, daß sie weg ist. Ich weiß genau, wo ich sie hingelegt habe, und da ist sie nicht mehr. Paul kriegt einen Anfall !«
    Nein, Paul würde keinen Anfall kriegen;
wenn sie nur herunterkam und ihn befreite, würde er ihr alles vergeben, selbst
die Todsünde, sich sein schwerverdientes Geld stehlen zu lassen.
    Dann sagte sie: »Nein, ich hab es noch
nicht angezeigt. Ich sollte es wohl tun, aber der Gedanke gefällt mir nicht — wegen
dir. Ich werde Paul im Geschäft anrufen. Vielleicht hat er ja das Geld und die
Uhr heute morgen mitgenommen. Ich hab ihm letztens abends mal erzählt, daß sie
nachgeht, vielleicht wollte er sie überholen. Also gut, Dave, dann komm mal
raus .«
    Er würde also kommen, und Stapp mußte
nicht allein an diesem Ort bleiben; heißer Atem der Erleichterung drückte von
innen gegen den feuchten Knebel weit hinten in seinem Mund.
    Als sie auflegte, wurde es still. Dann
hörte er, wie sie seine Nummer im Laden vor sich hin sagte: »Trevelyan 4512 .« Sie wartete, ließ es mehrmals klingeln, aber natürlich
ging niemand ran.
    Ticktack, ticktack, ticktack.
    Die Dame von der Vermittlung mußte ihr
schließlich gesagt haben, daß sich unter dieser Nummer niemand meldete. »Lassen
Sie es weiter klingeln«, hörte er sie sagen. »Es ist das Geschäft meines
Mannes, um diese Zeit ist er immer da .«
    Stumm schrie er sein Entsetzen heraus:
»Ich bin direkt hier unter deinen Füßen! Verlier keine Zeit! Laß um Himmels
willen das Telefon in Ruhe und komm herunter !«
    Schließlich, als sie auch beim zweiten
Versuch keine Verbindung bekam, legte sie auf. Selbst dieser hohle, gedämpfte
Ton erreichte ihn. Oh, alles erreichte ihn, nur keine Hilfe. Angesichts so
einer Tortur würde jeder Großinquisitor vor Neid erblassen.
    Er hörte, wie sich ihre Schritte vom
Telefon entfernten. Würde sie denn daraus, daß er nicht dort war, wo er um
diese Zeit sein sollte, nicht schließen, daß etwas nicht stimmte? Würde sie
jetzt nicht herunterkommen und nachschauen? Oh, wo blieb diese angeblich
typisch weibliche Intuition? Nein, wie konnte er das von ihr erwarten. Wie
sollte sie aus der Tatsache, daß er nicht im Laden war, eine Verbindung zu
ihrem Keller herstellen? Wahrscheinlich machte sie sich noch nicht einmal
Sorgen, weil er nicht dort war. Ja, wenn es Abend wäre; aber um diese
Tageszeit... Er konnte einfach etwas später zum Essen gegangen sein oder noch
ein paar Besorgungen zu machen haben.
    Er hörte, wie sie wieder nach oben
ging, wahrscheinlich wollte sie weiter nach der Uhr und dem Geld suchen. Er
wimmerte enttäuscht. Solange sie dort droben blieb, war er völlig von ihr
abgeschnitten, gerade so, als wäre sie meilenweit von ihm entfernt und nicht
zwei Stockwerke über ihm.
    Ticktack, ticktack. Einundzwanzig nach
zwei war es jetzt. Nur noch eine halbe Stunde und neun spärliche Minuten. Und
die vertickten so verschwenderisch, wie die Tropfen eines tropischen Regens auf
ein Wellblechdach niederprasseln.
    Er zerrte und zog an den Stricken, um
von dem Rohr wegzukommen, fiel dann erschöpft zurück, ruhte sich einen Moment
aus, um dann wieder mit ganzer Kraft zu zerren. Er tat das in

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