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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornell Woolrich
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beimessen konnten, selbst wenn sie etwas dahinter vermutet hätten, was sie aber
natürlich nicht getan hatten. Sie dachten nach wie vor, er versuche, sich zu
befreien, meinten, sein Widerstand sei noch immer ungebrochen.
    »Schau dir das an !« spottete der eine, »Hast du sowas schon mal gesehen?« Er hob drohend den Arm
über dem sich windenden Bündel. »Ich verpaß dir eine, daß dir Hören und Sehen
vergeht, wenn du nicht damit aufhörst !«
    »Bind ihn doch an dem Rohr da in der
Ecke fest«, schlug sein Komplize vor. »Der bringt sich ja noch um, wenn er hier
weiter so rumrollt .« Sie schleiften ihn über den
Boden, setzten ihn mit ausgestreckten Beinen vor das Rohr und banden ihn mit
einem Strick, der zusammengerollt in einer Ecke lag, daran fest.
    Dann wischten sie sich demonstrativ die
Hände ab und gingen hintereinander die Kellertreppe hinauf, schnauften dabei
schwer, weil sie sich so mit ihm hatten abmühen müssen. »Pack ein, was wir
gefunden haben, und dann nichts wie weg«, brummte der eine. »Wir müssen
schließlich heut abend noch ‘n Ding drehen - aber diesmal läßt du mich ‘n
Haus aussuchen !«
    »Es hat doch recht vielversprechend
ausgesehen«, rechtfertigte sich der andere. »Keiner zuhaus, und so abgelegen,
ohne Nachbarn .«
    Ein eigenartiges Geräusch, wie ein vor
sich hinsiedender Teekessel oder das Wimmern eines neugeborenen Kätzchens, das
man im Regen liegen gelassen hatte, drang schwach durch den Knebel in Stapps
Mund. Seine Stimmbänder waren zum Zerreißen gespannt, so sehr strengte es ihn
an, selbst diesen leisen Ton hervorzubringen. Er starrte die beiden aus vor
Entsetzen weit aufgerissenen Augen flehend an.
    Sie sahen diesen Blick, als sie
hinaufgingen, verstanden ihn aber nicht. In ihren Augen war es wohl die
körperliche Anstrengung, mit der er seine Fesseln zu sprengen versuchte, oder
aber Wut und die Drohung, es ihnen heimzuzahlen.
    Der erste schritt unbeirrt durch die
Kellertür und war verschwunden. Der zweite blieb auf halber Höhe stehen und
warf einen selbstzufriedenen Blick zurück, einen Blick, wie er ihn selbst, erst
vor wenigen Minuten, auf das Werk seiner Hände geworfen hatte.
    »Nur keine Panik«, feixte er. »Mach dir’s
gemütlich. Ich bin früher zur See gefahren. Die Knoten kriegst du nicht
auf, mein Junge .«
    Verzweifelt warf Stapp den Kopf herum,
stierte noch ein letztes Mal auf den Wecker. Die Augen fielen ihm beinahe aus
dem Kopf, so viel physische Anstrengung legte er in den Blick.
    Diesmal verstand der Kerl endlich, aber
er verstand es falsch. Er winkte verächtlich ab. »Willst du mir etwa sagen, daß
du eine wichtige Verabredung hast? Mach dir keine Gedanken, die fällt aus. Es
braucht dich nicht zu interessieren, wie spät es ist, du gehst heute
nirgends mehr hin !«
    Und dann verschwand in einem
schrecklichen, alptraumhaften Zeitlupentempo — obwohl es nur so schien, denn er
ging die Treppe recht schnell weiter hinauf — sein Kopf durch die Kellertür,
gefolgt von den Schultern und dem ganzen Oberkörper. Nun war selbst eine
visuelle Kommunikation zwischen ihnen nicht mehr möglich, und Stapp hätte doch
vielleicht nur noch eine Minute gebraucht, um es ihm verständlich zu machen!
Jetzt war nur noch sein linker Fuß zu sehen, auf der letzten Treppenstufe, auch
er bereit, die Flucht zu ergreifen. Stapps Augen hingen an ihm, als könne ein
inständig flehender Blick ihn zurückhalten. Die Ferse hob ab, der Fuß wurde
hochgezogen und verschwand wie der Rest des Mannes, war nicht mehr zu sehen.
    Stapp krümmte sich, als wolle er ihm
unter Einsatz seiner ganzen Willenskraft folgen, so heftig, daß sein Körper
sich wie ein Bogen spannte, von den Schultern bis zu den Fersen frei in der
Luft hing. Dann fiel er mit einem dumpfen Plumps wieder zu Boden, eine kleine
Staubwolke wirbelte unter ihm hervor, und der Schweiß floß ihm in Bächen, die
sich mehrmals kreuzten, das Gesicht herab. Die Kellertür schwang zurück und
fiel mit einem kaum hörbaren Klicken, das für ihn wie ein Donnern des
Schicksals klang, ins Schloß.
    In der Stille, die nun folgte, bildete
das Ticken des Weckers ein Gegengewicht zu seinem heftigen, gleichmäßigen
Atmen, das der Brandung ähnelte, die an den Strand rollt und sich wieder
zurückzieht. Ticktack, ticktack, ticktack.
    Einen Augenblick lang tröstete er sich
so gut er konnte damit, daß die beiden ja immer noch oben im Haus waren. Hie
und da ein verstohlener Schritt, mehr als einer nacheinander war nie

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