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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornell Woolrich
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Schreibtischplatte klatschen ließ.
    »Laß mal ‘n bißchen mehr hören«, sagte
er schroff. »Und mach nach dem erst mal ‘ne kleine Pause, ja? Ich bin kein
Zauberer .«
    Brains rückte eifrig mit dem Stuhl nach
vorn. »Meine Gründe sind ganz persönlich. Der Kerl ist mir genau auf meine
liebsten Hühneraugen getreten. Wer er ist, brauchst du nicht zu wissen, und ich
werd’s dir auch nicht sagen. Ich bin ihm Anfang der Woche von Gary aus nach
Haus gefolgt und hab ihn seitdem nicht mehr aus den Augen gelassen. Das Schöne
an der Sache ist, daß er im Leben nicht damit rechnet, daß ihm was passieren
könnte .« Er spuckte in die Hände und rieb die
Handflächen aneinander. Dabei strahlte er über das ganze Gesicht. »Er sitzt in
einem Rattenloch oben in North Side, und so wie’s dort aussieht, lädt es direkt
dazu ein. Ich hab mir die ganze Woche über Zeichnungen gemacht und kann’s
mittlerweile auswendig .« Er zog Papier und Stift aus
der Tasche und begann, eine Skizze zu machen. Fade beugte sich interessiert
nach vorn und mahnte ihn: »Red ‘n bißchen leiser !«
    »Es ist sechs Stock hoch, und er hat ‘n
Zimmer ganz oben. Das Gute ist, ich muß nicht durch den Eingang rein und raus
oder an irgend jemandem vorbei. Das Fenster von seinem Zimmer geht auf ‘ne Art
Luftschacht raus, ‘ne Einbuchtung in der Mauer. Keine Feuertreppe — nichts, nur
ein Abflußrohr führt in dem Schacht nach unten. Und auf der anderen Seite steht
ein fünfstöckiges Mietshaus direkt gegen das Hotel geklatscht. Das ist so ‘ne
Bruchbude, die sperren nicht mal die Tür ab, die aufs Dach führt, man kann
einfach hochgehen. Ich war die ganze Woche dort oben, hab mich flach auf den
Bauch gelegt und in sein Zimmer geguckt. Ein langes, dickes Brett, mit dem ich
rüberkomme, hab ich da auch schon versteckt. Hab sogar schon ausgemessen, ob’s
bis zu seinem Fenster reicht, als er mal nicht da war, und es reicht lässig. Er
wohnt im sechsten Stock, das Mietshaus ist fünf Stock hoch, das Dach ist also
ungefähr ‘n Meter über seinem Fenster, und das Brett kriegt nicht so viel
Neigung, daß es beim Zurückkommen Schwierigkeiten geben könnte .« Er hob triumphierend die Arme. »Ehe ich ihn umniete,
steck ich ‘ne große Kartoffel auf den Lauf, da hört man schon im Nebenzimmer
nichts mehr, und auf der Straße erst recht nicht !«
    Fade bohrte nachdenklich in der Nase.
»Einiges spricht dafür, einiges dagegen«, gab er dann zu bedenken. »Paß bloß
mit dem Brett auf, denk dran, was Hopewell damals passiert ist !«
    »Ich mußt’ es nicht mal selbst
mitbringen«, verkündete Brains voller Stolz. »Es ist von dem Zaun im Hinterhof,
war schon halb ab, und ich hab’s einfach rausgerissen .«
    »Und wenn er dich rüberkommen sieht?
Meinst du nicht, daß er dann schleunigst abhaut ?«
    »Ich geh rüber, wenn er nicht da ist,
leg mich im Kleiderschrank auf die Lauer, bis er zurückkommt. Er läßt das
Fenster immer ‘n Spalt offen, damit ‘n bißchen frische Luft reinkommt .«
    »Und wie sieht’s mit anderen Fenstern
ungefähr auf der gleichen Höhe aus? Könnt ja sein, daß jemand ‘n Blick
rauswirft und dich rübergehen sieht .«
    »Das Mietshaus hat keine solche
Einbuchtung, das hat auf der Seite überhaupt keine Fenster. Und bei dem Hotel
gibt’s pro Stockwerk nur eines, alle direkt unter seinem. Das Zimmer im fünften
Stock steht seit drei Tagen leer — von da kann mich keiner sehen. Und von
weiter unten sieht man das Brett wohl kaum mehr, viel zu weit weg, und dann
gegen den dunklen Nachthimmel; es ist nämlich dunkelgrün gestrichen, und der
Schacht ist sowieso stockfinster. Das ist alles, was ich machen muß, da kann
gar nichts schiefgehen. Und jetzt zu dir: Du mußt dafür sorgen, daß ich gar
nicht dagewesen sein kann, um es zu machen !«
    »Wieviel Zeit brauchst du ?« fragte Fade.
    »In dreißig Minuten bin ich dort, mach
ihn kalt und komm dann wieder hierher zurück«, meinte Brains.
    »Ich geb dir ‘ne Stunde, um wieder
zurückzukommen«, erwiderte Fade trocken. »Jetzt unterschreibst du mir ‘n
Schuldschein, und dann paß gut auf! Wenn was schiefgeht, bist du selbst schuld !«
    Brains las, was Fade auf den Zettel
geschrieben hatte. Die beiden letzten Transaktionen dieser Art hatte er einfach
als Spielschulden getarnt. Juristisch gesehen ein völlig wertloser Wisch. Doch
das machte nichts. Brains wußte genau, welche Strafe ihm drohte, wenn er einen
dieser hingeschmierten Schuldscheine platzen ließ. Da stand

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