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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornell Woolrich
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getaucht. Er umrundete die ausgeschlachtete Karosserie und schaute
nach vorn. Der einzige Angestellte stand ganz vorn am Eingang und unterhielt
sich mit einem Kunden, der eben seinen Wagen hereingefahren hatte.
    Brains schlich auf sie zu, hielt sich
dabei dicht an der Wand, abgeschirmt durch eine lange Reihe auf ihre Reparatur
wartender Autos; die Lücken zwischen ihnen überbrückte er tief gebückt. Einer
der Wagen war zu dicht an die Wand herangefahren worden; er mußte auf die
hintere Stoßstange klettern und über sie hinwegturnen wie ein Affe. Das letzte
Auto in der Reihe war allerdings immer noch gut fünfzehn, zwanzig Meter vom
Ausgang entfernt, und zwischen ihm und der Straße lag ein breiter und
ungeschützter benzingetränkter Streifen. Er rührte sich nicht von der Stelle,
wartete im Schatten des letzten Autos ab, bis nach etwa einer Minute der Kunde
zu Fuß wegging und der Mechaniker in den Wagen stieg und ihn an Brains’
Versteck vorbei in den hinteren Teil der Werkstatt fuhr. Das war die Chance, ungesehen hier rauszukommen, mit so etwas hatte er nicht gerechnet. Er
richtete sich auf und sprintete über den verbleibenden Betonstreifen; sowie er
zur Tür hinaus war und nicht mehr gesehen werden konnte, ging er ganz
gemächlich weiter.
     
    An der zweiten Straßenecke stieg er in
ein Taxi, mit dem er die Hälfte des Wegs zu seinem Ziel zurücklegte. Dann ging
er in einen Laden, erkundigte sich nach dem Preis für einen Füllhalter, verließ
den Laden wieder und nahm ein anderes Taxi. Diesmal stieg er zwei Häuserblocks
von seinem Ziel entfernt aus. Das Taxi bog nach links ab und fuhr davon, er
ging nach rechts, schnurstracks auf das schmuddelige Mietshaus zu, als würde er
dort wohnen. Er schaute sich kein einziges Mal um und machte vor allem nicht
den Fehler, zunächst daran vorbeizugehen und dann umzukehren.
    Vor dem Haus stand niemand, der ihn
hätte sehen können. Er stieß die unverschlossene Tür auf und stieg langsam die
Treppen hinauf, mit schwerem Schritt, wie jemand, der müde nach Hause kommt.
Heute klappte wirklich alles, die ganzen sechs Treppen hoch kam ihm niemand
entgegen, obwohl das Haus, nach den Geräuschen zu urteilen, von Leben erfüllt
war wie ein Bienenstock.
    Zwar kam einmal jemand aus einer Wohnung
und ging nach unten, aber da war er bereits zwei
Stockwerke höher. Nach dem obersten Treppenabsatz dämpfte und beschleunigte er
den Schritt. Die von innen verriegelte Tür, die aufs Dach führte, quietschte
nicht mehr: Er selbst hatte sie zwei Nächte zuvor geölt. Er schloß sie behutsam
hinter sich und war draußen, im Dunklen. Leise ging er über die mit feinem
Schotter bedeckte geteerte Fläche. Das Brett lag noch dort, wo er es versteckt
hatte, gegenüber der Stelle, wo er es benutzen würde. Niemand, der es am Tag
gesehen haben könnte, würde eine Verbindung zu dem Hotelzimmerfenster auf der
anderen Seite des Schachts herstellen. Er trug es hinüber, legte es auf den
Boden, streckte sich bäuchlings darauf aus und schaute hinüber. Er rang sich
ein schiefes Lächeln ab. Das Zimmer hinter dem Fenster war dunkel; sein
Bewohner war noch nicht wieder nach Hause gekommen. Der untere Teil des
Fensters war zum Lüften ein gutes Stück hochgeschoben. Genauso, wie er es Fade
dargestellt hatte! Auch hinter dem Fenster ein Stockwerk tiefer rührte sich
nichts; das Zimmer war wohl nicht wieder belegt. Auch zwei und drei Stock
tiefer war alles dunkel; über dem zweiten Stockwerk brannte nirgends Licht, und
das Fenster dort unten hatte von oben aus gesehen nur noch Briefmarkengröße.
Alles wie bestellt.
    Er kam hoch auf die Knie, zog das Brett
nach vorn über die niedrige, verbleite Mauerkrone und begann, es vorsichtig
hinüber zu dem Fenster zu schieben und es dabei langsam hinabsinken zu lassen.
Einen Fuß hatte er, ganz am Ende, daraufgestellt, damit es nicht vom eigenen
Gewicht zu weit nach unten gezogen wurde, an dem Fenstersims vorbei. Ohne
diesem zu nahe zu kommen, glitt das Brett hinein und schob den Vorhang an dem
offenen Fenster etwas zurück. Dann ließ er es ganz langsam und vorsichtig
hinabsinken, und der Schacht war überbrückt. Er vergewisserte sich, daß es noch
gut auf der Mauerkrone auflag und nicht wegrutschen konnte, wenn er es betrat;
dann ließ er es los, wischte sich die Hände ab, erhob sich und trat darauf,
ganz am Anfang, direkt auf der Mauerkrone. Vorsichtig verlagerte er sein
Gewicht, bis die Balance hundertprozentig stimmte.
    Er hatte keine Angst, daß das

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