Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornell Woolrich
Vom Netzwerk:
Freispruch praktisch schon in der Tasche. Aus ebendiesem Grund war
Brains Donleavy auch gerade auf dem Weg zu ihm, denn er plante einen Mord.
    Diese Bezeichnung hätte Brains
entrüstet zurückgewiesen. Für ihn war die ganze Sache nichts weiter als eine
»Abrechnung«. Wenn andere Leute töteten, war es Mord, bei ihm aber war es etwas
anderes. Er fand, er hatte bei jedem von dem halben Dutzend, das bislang auf
sein Konto ging, einen guten Grund gehabt. Er tötete nicht aus Spaß an der
Freud, und ebensowenig ging es ihm dabei um Profit; er war einfach nur
nachtragend, hatte für bestimmte Sachen ein Gedächtnis wie ein Elefant.
    Aber so unerbittlich er sein konnte,
wenn es um das Begleichen alter Rechnungen ging, war er doch gleichzeitig auch
sehr sentimental veranlagt. Ein altes irisches Volkslied konnte ihn zu Tränen
rühren, wenn er ein paar Gläschen intus hatte. Man erzählte, er habe schon mal
mitten in der Nacht die Fenster eines Metzgerladens mit Steinen eingeworfen,
nur um die darin eingeschlossenen Kätzchen zu befreien.
    Jedenfalls steuerte er zielstrebig auf
einen der vergammelten Schuppen zu, von denen es hier
im Loop District geradezu wimmelte. Über dem Eingang flimmerte in roten
Neonbuchstaben der Name ›Oasis‹. Es war kein Night-Club oder Variete, sondern
nur eine Bierkneipe, die Fade als Tarnung diente. Zur Unterhaltung der Gäste
war ein Radio vorhanden. Der Barkeeper erkundigte sich mit schiefgelegtem Kopf:
»Was soll’s sein ?«
    »Der Boß soll’s sein«, erwiderte
Brains. »Sag ihm, Donleavy ist da .«
    Der Barkeeper rührte sich nicht von der
Stelle, bückte sich lediglich, als wolle er einen Blick auf die unter der Theke
aufgereihten Alkoholvorräte werfen. Seine Lippen bewegten sich, ohne daß etwas
zu hören war, er richtete sich wieder auf, und ein Daumen schnellte zustimmend
aus seiner zur Faust geballten Hand hervor.
    »Gradaus durch nach hinten«, meinte er.
»Siehst du die Tür dort ?«
    Brains sah sie und ging los. Er hatte
sie noch nicht ganz erreicht, da ging sie auf, und Fade kam heraus, um ihn zu
begrüßen.
    »Na, wie sieht’s aus, alter Junge ?« fragte er wohlwollend.
    »Ich hab was mit dir zu besprechen«,
sagte Brains.
    »Klar«, meinte Fade. »Komm nur rein .« Er legte freundschaftlich einen
Arm um seine Schulter und warf einen Blick durchs Lokal und durch die Fenster
hinaus, dann schob er Brains durch die Tür und schloß sie hinter ihnen.
    Sie kamen in einen kurzen Gang mit
einer Fernsprechkabine auf jeder Seite, der zur offenen Tür von Fades Büro
führte. An der linken Kabine hing ein Schild mit der Aufschrift »Außer Betriebe
Brains streifte es im Vorbeigehen und es fiel herunter. Fade hob es auf und
hängte es sorgsam wieder an seinen Platz, ehe er ihm folgte, dann schloß er die
Bürotür hinter ihnen.
    »Na, wie gefällt dir mein Büro ?« wollte er wissen. »Nicht übel, was?«
    Brains sah sich um. Auf dem
Schreibtisch, an dem Fade eben noch gesessen hatte,
lag ein Achtunddreißiger mit ausgeworfener Trommel. Daneben sah er ein
schmutziges Lederläppchen und, auf einem kleinen Haufen, die Patronen, die
zuvor in der Trommel gesteckt hatten. Brains erkundigte sich mit einem Lächeln:
»Hast du Ärger erwartet ?«
    »Das ist doch meine
Lieblingsbeschäftigung, ich hantier gern damit herum und halt sie schön
sauber«, erklärte Fade. »Da vergeht die Zeit schneller, ich muß hier ja
stundenlang rumsitzen. Ich hab ein paar von den Dingern hier, manchmal hol ich
sie raus und guck sie durch — das erinnert mich an die alten Zeiten .« Er nahm Platz, schaufelte sich die Patronen in die hohle
Hand und fing an, eine nach der anderen wieder in die Trommel zu schieben.
»Worum geht’s ?« fragte er, ohne aufzuschauen.
    Nun setzte sich Brains auf den Stuhl
vor dem Schreibtisch, ihm gegenüber. »Also, ich hab morgen abend ‘ne kleine
Rechnung zu begleichen, ‘ne Kleinigkeit«, begann er in vertraulichem Ton. »Du
bastelst mir ein Alibi zurecht, ja? Ein gutes, idiotensicheres.«
    »Willst du einen umlegen ?« fragte Fade, ohne auch nur zu ihm aufzusehen. »Schon
wieder?«
    »Hör mal, ich hab seit anderthalb
Jahren niemandem auch nur ‘n Haar gekrümmt !« protestierte Brains energisch.
    »Schon möglich, aber ein Jahr davon
hast du eh im Knast gesessen, wenn ich richtig informiert bin. Warum hörst du
nicht mal für ‘ne Weile damit auf, machst ‘ne kleine Pause ?«
    »Das war damals aber nicht, weil ich
einen umgelegt hatte«, wehrte sich Brains. »Du

Weitere Kostenlose Bücher