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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornell Woolrich
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wollte.
    Wenn er doch nur ein Fernglas
dabeihätte!
    Paine sah, wie der alte Geizhals
innehielt, den Kopf herumdrehte und etwas zu seinem Gast sagte. Plötzlich
ergriff eine Hand die lose herabhängende Kordel des Springrollos und zog es
herunter.
    Paine knirschte mit den Zähnen. Das
verschrumpelte Fossil ging wirklich kein Risiko ein. Er schien Gedanken lesen
zu können. Als ob er wüßte, daß da draußen jemand stand. Aber ein Spalt am
unteren Fensterrand ließ noch etwas Licht durch. Paine schlüpfte aus seinem
Versteck und huschte zum Fenster. Er ging ganz dicht heran und konzentrierte
sich ausschließlich auf Burroughs Hand, die das Zahlenschloß drehte.
    Eine Dreivierteldrehung nach links,
etwa dahin, wo bei einer Uhr die Acht ist. Dann zurück, ungefähr zur Drei. Dann
wieder nach links, diesmal auf die Zehn. Ganz einfach. Das mußte er sich
merken: 8-3-10.
    Burroughs öffnete den Safe und nahm
eine Geldkassette heraus. Er stellte sie auf den Tisch und öffnete sie. Paines
Blick versteinerte sich; finster zog er die Mundwinkel herab. So viel Geld! Die
knochige Hand des Alten tauchte hinein, kam mit einem Bündel Scheine wieder
heraus und zählte sie durch. Er legte ein paar zurück, zählte den Rest noch
einmal nach und legte ihn auf den Tisch. Dann brachte er die Kassette zurück,
schloß den Safe und rückte den Wandbehang wieder gerade.
    Jetzt tauchte eine verschwommene
Gestalt am Rollo auf; sie war zu nah, als daß Paine durch den Spalt viel von
ihr hätte sehen können, verdeckte aber nicht das kleine Bündel Geldscheine auf
dem Tisch. Mit seinen klauenartigen Fingern hob Burroughs es auf und streckte
die Hand aus. Eine zweite Hand, nicht so kantig, griff danach. Dann wurden die
beiden Hände geschüttelt.
    Vorsichtig wie er war, ging Paine
zurück an seinen alten Standort. Jetzt wußte er, wo sich der Safe befand, das
war das Wichtigste. Und er hatte sich keinen Augenblick zu früh zurückgezogen.
Das Rollo schnellte hoch, diesmal hatte Burroughs an der Kordel gezogen. Die andere
Person war wieder aus Paines Blickfeld verschwunden. Burroughs ging ihr nach,
und dann wurde es schlagartig dunkel im Zimmer. Einen Augenblick später ging
die Außenbeleuchtung an.
    Paine hatte gerade noch Zeit, sich
rasch gegen die Hauswand zu pressen, damit seine Anwesenheit nicht bemerkt
wurde.
    Die Haustür ging auf. Burroughs
krächzte ein kurzes »Nacht«, das der Besucher nicht erwiderte. Offenbar war das
Gespräch nicht besonders herzlich verlaufen. Mit einem Schubs wurde die Haustür
wieder zugedrückt. Ein paar schnelle Schritte waren auf der Veranda zu hören,
dann auf dem Betonweg zur Straße hin, weg von der Hauswand, an die Paine sich
drückte. Er versuchte erst gar nicht zu sehen, wer es war. Es war zu dunkel,
und sein vorrangiges Ziel war ja, seine eigene Anwesenheit unbemerkt zu lassen.
    Als die Schritte des Unbekannten in der
Ferne verklangen, schlich Paine weiter, an eine Stelle, von der aus er die
ganze Vorderfront des Hauses überblicken konnte. Burroughs war jetzt allein
dort drin, das wußte er; er war sogar zu geizig, einen Hausangestellten zu
bezahlen. Durch das Oberlicht über der Haustür drang einen Moment lang ein
schwacher Lichtschein vom anderen Ende der Diele her. Jetzt war der Zeitpunkt,
auf die Klingel zu drücken, wenn er dem vertrottelten Alten seine Bitte
vortragen wollte, bevor der sich zurückzog.
    Das wußte er, und dennoch hielt ihn
etwas davon ab, die Verandatreppe hinaufzugehen und die Klingel zu betätigen.
Er wußte auch, was es war, wollte es sich aber nicht eingestehen.
    »Er wird mich rundweg abweisen und mir
die Tür vor der Nase zuschlagen .« Mit dieser
Entschuldigung kauerte er sich wieder in die Sträucher und wartete ab. »Und
dann, wenn er mich mal hier gesehen hat, fällt der Verdacht sofort auf mich,
wenn...«
    Das Oberlicht war nun dunkel, Burroughs
stieg hinauf in den ersten Stock. Dort ging hinter dem Schlafzimmerfenster
Licht an. Noch war es nicht zu spät; selbst wenn er jetzt klingelte, würde
Burroughs noch herunterkommen und die Tür öffnen. Aber Paine machte keine
Anstalten zu klingeln, sondern stand da und wartete ab.
    Schließlich ging das Licht im
Schlafzimmer aus, und das Haus war dunkel und leblos. Paine stand immer noch da
und kämpfte mit sich. Es war keine richtige Schlacht mehr, die war längst
verloren; aber er suchte immer noch nach Entschuldigungen für das, was er jetzt
tun würde. Entschuldigungen dafür, daß er nicht von dieser Sache abließ

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