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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornell Woolrich
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holte Hitchs Zimmerschlüssel aus der Tasche und ließ ihn
ungerührt in den Schacht hinabfallen; dann rieb er sich die Hände und fühlte
sich auf eine merkwürdige, ungewohnte Weise edelmütig, wie nach einer guten
Tat, ein Gefühl, das er nach keinem seiner wirklich ausgeführten Morde jemals
gehabt hatte. Munter schob er sich den Hut etwas weiter nach hinten, trat durch
die Dachtür ins Haus und lief die Treppe hinunter zum Eingang. Es war ihm jetzt
gleichgültig, ob ihn jemand sah oder nicht, aber er begegnete wieder niemandem,
ganz wie vorhin, als er hochgestiegen war.
     
    Er trat hinaus auf den Gehsteig und
hielt Ausschau nach einem Taxi, das ihn zu Fade bringen konnte; er wollte
natürlich seinen Hunderter zurückhaben; ein Alibi brauchte er ja jetzt nicht
mehr. Er hoffte, Fade würde sich nicht allzu kleinlich anstellen, aber
schließlich konnte er ihm ja seinen Revolver zeigen, mit gefüllter Trommel, um
ihn, sollte das nötig sein, davon zu überzeugen, daß er es nicht getan hatte.
Er war nicht gerade in einer Gegend, wo man viel mit dem Taxi fuhr; weit und
breit war keins zu sehen, deshalb lief er einfach los, in der Hoffnung, einem
zu begegnen. Übermütig schubste er seinen Hut wieder ein wenig nach vorn; er
fühlte sich gut.
    »Mann, schon ein komisches Gefühl, wenn
ein Kind nach einem genannt wird .«
    Zu dieser Zeit war Hitch bereits wieder
in seinem Zimmer; er hatte einen Hotelboy mit einem Hauptschlüssel
hineingeschickt, um festzustellen, ob die Luft rein war. Er hatte die Tür
hinter sich geschlossen, das Fenster sorgfältig verriegelt und die Rollos
heruntergezogen, und nur, um ganz sicherzugehen, wollte er, sowie er seine
Sachen zusammengepackt hatte, das Hotel verlassen und woanders schlafen. Im
Augenblick konnte er überhaupt nichts tun, stand einfach hilflos da, gegen die
Kommode gelehnt, und zitterte am ganzen Körper. Sein Kopf zuckte heftig. Er
bebte nicht vor Angst, sondern vor wildem, unbeherrschbarem Lachen. In der Hand
hatte er den Brief von Goldie, von Brains’ ehemaligem Liebchen, den er vom
Boden aufgehoben hatte. Ganz unten auf der ersten Seite stand das, was Brains
gelesen hatte: »Ich paß gut auf dein Baby auf, und jedesmal, wenn ich es
ansehe, denk ich an dich .« Doch jedesmal, wenn er
das Blatt umdrehte und auf der anderen Seite weiterlas, brach er erneut in
ungezügelte Heiterkeit aus. Da stand: »Und ich bin wirklich froh , daß
du es hiergelassen hast, werweiß, was alles passiert, während du weg bist. Es gibt
nichts Besseres für ein Mädchen, das allein ist, als einen Zweiunddreißiger in
Reichweite zu haben. Vergiß nicht, dir drüben in Chicago einen anderen zu
besorgen, falls dir unser gemeinsamer Freund über den Weg läuft ...« Der
stolze Vater mußte sich die Seite halten, es fehlte nicht viel, und er hätte
sich vor Lachen eine Rippe gebrochen.
     
    Drei Häuserblocks weiter erwischte
Brains ein Taxi. Er machte sich nicht die Mühe, es auf halbem Weg zu wechseln,
aber aus Rücksicht auf Fade ließ er sich nicht direkt bis zu der Werkstatt
fahren, sondern stieg ein kurzes Stück vor seinem Ziel aus. Er hätte jetzt
natürlich genausogut vorne durch das Lokal gehen können, aber schließlich war
der Ausgang, von dem niemand wußte, für Fade eine recht einträgliche Sache, und
warum sollte er ihm das kaputt machen? Warum sollte er sämtlichen Gästen
deutlich machen, daß es noch einen zweiten Ausgang gab? Wenn er vorne reinging,
würden sie sicher dahinterkommen.
    Die Werkstattür stand weit offen, genau
wie zuvor, aber diesmal war nicht mal der Mechaniker zu sehen; es schien nicht
viel los zu sein. Er ging ebenso wieder hinein, wie er sich zuvor herausgeschlichen
hatte, schob sich hinter den abgestellten Autos an der Wand entlang und stieg
bei dem Wagen, der direkt an der Wand stand, wieder auf die Stoßstange; kein
menschliches Auge beobachtete ihn dabei.
    Als er schon ein ganzes Stück an der
offenen Tür des Büros vorbei war, sah er dort den Mechaniker hinter einer
Zeitung sitzen. Er umrundete die Karosserie ohne Räder, ertastete den leicht
hervorstehenden Rand der Telefonkabinentür an der weißgetünchten Wand, fand mit
den Fingernägeln daran Halt, zog den Pappkeil heraus und öffnete die Tür. Er
blieb in der Kabine stehen, bis sich die Wand hinter ihm wieder geschlossen
hatte, dann schaute er durch die Glasscheibe hinaus. Die Tür zum Lokal war noch
immer geschlossen, die zu Fades Büro stand wie zuvor offen,
schien ihn zum Eintreten einzuladen.

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