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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornell Woolrich
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Express
     
     
    Paine stand vor dem Haus und wartete
darauf, daß der Besucher des alten Ben Burroughs ginge, denn er wollte ihn
allein sprechen. Man kann schlecht jemanden darum bitten, einem 250 Dollar zu
leihen, wenn ein Dritter dabei ist, besonders dann, wenn man schon mit der
unguten Ahnung hingeht, man werde eine Abfuhr erteilt und obendrein noch die
Meinung gesagt bekommen.
    Aber er hatte einen noch wichtigeren
Grund, weshalb er keinen Zeugen bei seinem Gespräch mit dem alten Geizkragen
dabeihaben wollte. Das große, zum Dreieck gefaltete Taschentuch in seiner
Gesäßtasche brauchte er zu einem bestimmten Zweck, und das kleine Ding da in
der Jackentasche — konnte man damit nicht ein Fenster aufbrechen?
    Während er bei den Sträuchern lauerte
und das hellerleuchtete Fenster beobachtete, in dem er deutlich Burroughs’
Gestalt am Schreibtisch sehen konnte, übte er das Bittgesuch, das er sich
zurechtgelegt hatte, nochmal ein, als habe er immer noch die Absicht, es auch
vorzutragen.
    »Mr. Burroughs, ich weiß, daß es schon
spät ist, und ich weiß auch, daß Sie lieber nicht an meine Existenz erinnert
werden möchten, aber Not kennt kein Gebot, und ich bin in Not .« Das klang nicht schlecht. »Mr. Burroughs, zehn Jahre lang habe ich Ihrer Firma
treu gedient, und auch in den letzten sechs Monaten ehe sie schließen mußte,
habe ich mein Bestes gegeben. Ich habe damals freiwillig auf die Hälfte meines
Lohnes verzichtet, nachdem Sie mir Ihr Wort gegeben hatten, daß ich dafür
entschädigt würde, wenn es wieder bergauf ginge. Aber statt dessen haben Sie
einfach Konkurs angemeldet, damit Sie Ihren Verpflichtungen nicht nachzukommen
brauchten .«
    Dann ein paar versöhnliche Sätze, um
der Rede die Schärfe zu nehmen. »Ich habe Sie in all den Jahren nie belästigt,
und ich bin auch jetzt nicht gekommen, um Ihnen Schwierigkeiten zu machen. Wenn
ich davon ausgehen könnte, daß Sie das Geld wirklich nicht haben, wäre ich
jetzt nicht hier. Aber mittlerweile weiß jeder, daß Sie den Bankrott nur
vorgetäuscht haben; Ihre Lebensweise zeigt deutlich, daß Sie Ihre Schäfchen ins
Trockene gebracht haben, und es gibt in letzter Zeit Gerüchte, daß Sie unter
einem anderen Namen eine Scheinfirma betreiben, um da weiterzumachen, wo Sie
aufgehört haben. Mr. Burroughs, die Summe, die mir nach den sechs Monaten mit
halbem Lohn noch zusteht, beträgt exakt 250 Dollar .«
    Genau das richtige Maß an Würde und
Selbstachtung, hatte Pauline an diesem Punkt angemerkt; weder wischiwaschi noch
sentimental, sondern ruhig und beeindruckend.
    Und dann aufs Ganze, und kein Wort war
gelogen: »Mr. Burroughs, ich brauche Hilfe, und zwar noch heute abend; es läßt
sich nicht einmal um 24 Stunden aufschieben. Ich habe in jeden Schuh ein Stück
Karton eingelegt, weil die Sohlen Löcher von der Größe eines Fünfzig-Cent-Stücks
haben. Seit einer Woche gibt es bei uns in der Wohnung weder Licht noch Gas.
Morgen früh kommt der Gerichtsvollzieher, nimmt uns die paar Möbel weg, die wir
noch haben, und versiegelt die Tür.
    Wenn ich da allein drinstecken würde,
ginge es noch. Ich würde es durchstehen, ohne jemanden um Hilfe zu bitten.
Aber, Mr. Burroughs, ich habe eine Frau zu versorgen. Sie werden sich
wahrscheinlich nicht an sie erinnern, eine hübsche junge Frau mit dunklen
Haaren. Sie hat einmal aushilfsweise ein paar Wochen in Ihrem Büro als
Stenosekretärin gearbeitet. Jetzt würden Sie sie sicher nicht mehr
wiedererkennen, sie ist in den letzten zwei Jahren um zwanzig gealtert .«
    Das war alles. Das war alles, was man
sagen konnte. Und dennoch wußte Paine, daß er, ehe er auch nur ein Wort davon
von sich gegeben hatte, vor die Tür gesetzt werden würde.
    Er konnte den Besucher des alten Mannes
nicht sehen. Der saß nicht in seinem Blickfeld. Burroughs hingegen schon, er
hatte Paine sein Profil zugewandt. Paine konnte beobachten, wie sich sein
verkniffener, schmallippiger Mund bewegte. Ein paarmal hob er beiläufig die
Hand. Dann schien er zuzuhören, und schließlich nickte er bedächtig. Er hob den
Zeigefinger und bewegte ihn hin und her, als wolle er seinem Gast etwas
einschärfen. Danach stand er auf und ging weiter ins Zimmer hinein, war aber
von draußen immer noch zu sehen.
    Er stand jetzt hinten an der Wand und
streckte die Hand nach einem Gobelin aus, der dort hing. Paine reckte den Hals
und kniff die Augen zusammen. Dahinter mußte sich ein Wandsafe befinden, den
der komische Alte jetzt sicher öffnen

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