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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof
Autoren: Cornell Woolrich
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Lichter ging aus. Er hatte
keine Zeit, nach einem zweiten Schalter zu suchen. Er schob den Betrunkenen,
der die Flasche zärtlich im Arm hielt, vor sich her, zog die Tür hinter sich
und ihm zu, so daß sie abgesperrt wirkte, auch wenn sie es gar nicht war.
    Der Betrunkene fing lauthals an zu
jammern, als er auf dem Gehsteig umherschlingerte. »Du bist mir ein feiner
Kerl, gibs mir nich mal ‘n Glas mit !«
    Paine schubste ihn behutsam in eine
Richtung, drehte sich um und ging in die entgegengesetzte davon.
    Die Frage war, wie betrunken war er?
Würde er sich an Paine erinnern, würde er ihn wiedererkennen? Er beschleunigte
den Schritt, begann zu laufen und ließ die Rufe und Flüche des anderen, die die
Nacht erfüllten, hinter sich zurück. Er konnte es nicht schon wieder tun. Drei
in einer Stunde. Nein, das konnte er nicht!
     
    Es dämmerte bereits, als er in den
kleinen Vorhof vor dem Haus, in dem er wohnte, einbog. Er stolperte die Treppe
hinauf, nicht wegen der zwei Drinks, die er sich genehmigt hatte, sondern wegen
der zwei Morde.
    Schließlich war er vor seiner
Wohnungstür angelangt — 3 B. Es war — nachdem er zwei Menschen umgebracht hatte
— ein merkwürdiges Gefühl, als er nach seinem Schlüssel suchte und ihn ins Schloß
steckte wie an einem ganz gewöhnlichen Abend. Er war als ehrlicher Mann von
hier weggegangen, und jetzt kam er als Mörder zurück. Als zweifacher sogar.
    Hoffentlich schlief sie schon. Er
konnte ihr jetzt nicht gegenübertreten, konnte jetzt nicht mit ihr reden,
selbst wenn er es versucht hätte. Er war viel zu aufgewühlt. Sie würde es
sofort merken, brauchte ihm nur ins Gesicht, in die Augen zu sehen.
    Leise drückte er die Tür zu, schlich
auf Zehenspitzen zum Schlafzimmer und schaute hinein. Sie lag im Bett und
schlief. Das arme Ding, das arme, unschuldige Wesen, mit einem Mörder
verheiratet.
    Er ging zurück ins Wohnzimmer und zog
sich dort aus. Blieb dann auch da. Er streckte sich nicht einmal auf dem Sofa
aus, sondern kauerte sich davor auf den Boden und legte Arme und Kopf auf die
Sitzfläche. Die Trommeln des Schreckens dröhnten unaufhörlich. Stellten ihm
immer wieder die Frage: »Und was mach ich jetzt ?«
     
    Die Sonne schien in den Himmel
hinaufzuschießen, so schnell stand sie im Zenit. Als er die Augen öffnete, war
es bereits Mittag. Er ging zur Wohnungstür und holte die Zeitung herein. Es
stand noch nicht in der Morgenausgabe, die wurde ja schon kurz nach Mitternacht
gedruckt.
    Als er sich umdrehte, stand Pauline im
Zimmer und räumte seine Kleider weg. »Alles liegt auf dem Boden rum, so einen
unordentlichen Mann hab ich noch nie gesehen...«
    Er sagte: »Nicht !« ,
und streckte die Hand nach ihr aus, aber da war es schon zu spät. Er hatte die
Geldscheine beim zweiten Mal, in der Bar, so hastig in die Gesäßtasche gestopft,
daß sie auffällig gewölbt war. Pauline öffnete sie, und ein paar Scheine
flatterten zu Boden.
    Entgeistert starrte sie darauf. »Dick !« Vor lauter Glück konnte sie kaum glauben, was sie da sah.
»Doch nicht etwa Burroughs? Erzähl mir nicht, daß du schließlich doch...«
    »Nein!« Der Name fuhr ihm wie ein
rotglühender Spieß durch den Körper. »Ich war nicht bei ihm. Er hat nichts
damit zu tun !«
    Sie nickte zustimmend. »Das hab ich mir
schon gedacht, weil...«
    Er ließ sie nicht ausreden. Er ging auf
sie zu und packte sie bei den Schultern. »Nenn diesen Namen nicht mehr. Ich
will diesen Namen nicht mehr hören. Ich hab es von jemand anders .«
    »Von wem denn?«
    Er wußte, daß er ihr jetzt eine Antwort
geben mußte, sonst würde sie mißtrauisch werden. Er holte tief Luft und suchte
verzweifelt nach einem Namen.
    »Von Charlie Chalmers«, platzte er
heraus.
    »Aber letzte Woche wollte der dir doch
nichts geben !«
    »Er hat sich’s eben anders überlegt .« Gequält redete er auf sie ein. »Stell mir keine Fragen,
Pauline, ich halt das nicht aus! Ich hab die ganze Nacht kein Auge zugetan. Das
Geld ist da, alles andere ist unwichtig .« Er nahm ihr
die Hose aus der Hand und ging ins Bad, um sich anzuziehen. Er hatte Burroughs
Revolver letzte Nacht dort im Wäschekorb versteckt; jetzt wünschte er, er hätte
das Geld auch dort hineingelegt. Er steckte die Waffe wieder in die Tasche, in
der er sie letzte Nacht getragen hatte. Wem ,% ie ihn da
anfaßte...
    Er kämmte sich die Haare. Die Trommeln
waren jetzt etwas leiser geworden, aber er wußte, sie würden bald wieder lauter
dröhnen, das hier war nur die Ruhe vor
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