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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof
Autoren: Cornell Woolrich
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leicht
fertigzuwerden wie mit Burroughs, er war ein richtiger Schrank. Er drückte
Paine gegen die Wand und hielt ihn so fest, daß er sich kaum rühren konnte. Und
dennoch, hätte er den Mund gehalten, wäre es wahrscheinlich nicht passiert.
Aber er riß ihn weit auf und brüllte: »Hilfe! Überfall! Pooliizei! Hiiilfe!«
    Paine verlor das bißchen Umsicht, das
er sich bis dahin noch bewahrt hatte, war nur noch zu einer reflektorischen
Handbewegung fähig, die weder zu steuern noch anzuhalten war. Etwas explodierte
an der Magengrube des Wirtes, als hätte er einen Knallkörper im Gürtel stecken
gehabt.
    Hustend ging er zu Boden und aus dieser
Welt.
    Noch einer. Jetzt waren es schon zwei.
Zwei in nicht einmal einer Stunde. Paine dachte diese Worte nicht, sie schienen
ihm entgegenzuglühen, erschienen als flammende Buchstaben an den schmierigen
Wänden der Toilette, so wie in dieser biblischen Geschichte.
    Ganz vorsichtig, als bewege er sich auf
Stelzen, stieg er über die am Boden liegende Gestalt in der weißen Schürze
hinweg. Er lugte durch den Türspalt. Die Kneipe war leer. Und wahrscheinlich
hatte man draußen auf der Straße nichts davon gehört; es waren ja zwei Türen
dazwischen.
    Er legte das verdammte Ding weg, dieses
Ding, das allein aus dem Grund, daß es sich in seinem Besitz befand, den Tod um
sich zu verbreiten schien. Wenn er es nicht aus Burroughs Haus mitgenommen
hätte, wäre dieser Mann hier noch am Leben. Aber wenn er es nicht mitgenommen
hätte, wäre er längst wegen des ersten Mordes verhaftet worden. Warum also der
Waffe die Schuld geben, warum nicht dem Schicksal?
    Das Geld lag über den ganzen Boden
verstreut. Er bückte sich, hob die Scheine einen nach dem anderen auf und
zählte es dabei. Zwanzig, vierzig, sechzig, achtzig. Einige lagen links von dem
Toten, andere rechts von ihm. Bei dieser grausigen Schnitzeljagd mußte er nicht
nur einmal, sondern öfter über ihn hinwegsteigen. Ein Schein lag sogar halb
unter ihm, und als er ihn hervorgezogen hatte, sah er, daß eine Ecke
blutbefleckt war. Er verzog das Gesicht, hielt den Schein weit von sich und
tupfte das Blut ab. Aber ganz weg ging es natürlich nicht.
    Jetzt hatte er alles aufgelesen, oder
zumindest glaubte er das. Er konnte keine Minute länger da drin bleiben, er
hatte das Gefühl, er müsse ersticken. Er stopfte es irgendwie in seine Tasche
und knöpfte sie zu. Dann schlich er hinaus, sah dabei hinter sich, auf das, was
er angerichtet hatte, und nicht nach vorn. Und so sah er auch den Betrunkenen
nicht, bis es zu spät war, weil der ihn schon gesehen hatte.
    Der Betrunkene war ziemlich betrunken,
aber vielleicht noch nicht betrunken genug, um gar nichts mehr mitzubekommen.
Er mußte leise hereingetorkelt sein, als Paine damit beschäftigt war, das Geld
aufzusammeln. Er stand über den Münzplattenspieler gebeugt und las die Auswahl
der Musiktitel. Er hob den Kopf, ehe Paine wieder in die Toilette verschwinden
konnte, und um zu verhindern, daß er sehen konnte, was da auf dem Boden lag,
machte Paine schnell die Tür zu.
    »Wird auch langsam Tssseit«, beschwerte
sich der Betrunkene. »Gibt’s ‘n hier nix zu trinkn ?«
    Paine schob sich die Hutkrempe so tief
wie möglich ins Gesicht. »Ich hab nichts mit dem Laden hier zu tun«, murmelte
er. »Ich bin auch nur ein Kunde...«
    Der Betrunkene ließ nicht locker. Er
hielt Paine am Revers fest, als der an ihm vorbei wollte. »Red kein Scheiß.
Hast grad da drin dein Kittel aufgehängt, meinst wohl, das wär’s für heut
abend. Du gehs aber nich eher, bis ich mein Drink...«
    Paine versuchte, ihn möglichst sanft
abzuschütteln, ohne ein weiteres Handgemenge zu provozieren. Der andere
klammerte sich an ihm fest, als gehe es um sein Leben. Und setzte damit, ohne
es zu wissen, sein Leben aufs Spiel.
    Paine bekämpfte den Anfall von Panik,
der in ihm aufstieg und dessen letzte Konsequenz er nun schon zweimal erlebt
hatte. Jeden Augenblick konnte jetzt jemand von draußen hereinkommen. Jemand,
der nüchtern war. »Na gut«, schnaufte er. »Beeil dich, was willst du denn ?«
    »Schschon besser, jetzt bis du okay,
Kumpel.« Der Betrunkene ließ von ihm ab, und Paine stellte sich hinter die
Theke. »Für mich kommt nix anderes in Frage als der gute alte Four Roses .«
    Paine griff wahllos ins Regal und
reichte ihm gleich eine ganze Flasche. »Da, bedien dich. Mußt sie aber mit
rausnehmen, weil ich — wir machen jetzt zu .« Er sah
einen Schalter und legte ihn um. Nur ein Teil der
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