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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof
Autoren: Cornell Woolrich
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trostlosen Straße verließ er die Veranda, lief den Weg entlang,
der zur Straße führte, bog dann nach links ab und ging auf dem grauen Band des
Bürgersteigs, das durch die Dunkelheit führte, zu einer weiter entfernt
liegenden Bushaltestelle. Er würde nicht an der nächsten Haltestelle
einsteigen, schon gar nicht um diese Zeit.
    Er schaute einige Male zu dem mit
Sternen übersäten Himmel auf, als er dahintrottete. Es war vorbei. Es war
erledigt. Jetzt war es nichts weiter als ein sorgsam gehütetes Geheimnis. Eine
Erinnerung, die er mit niemandem teilen durfte, nicht einmal mit Pauline. Aber
tief in seinem Innersten wußte er, daß das nicht stimmte. Es war nicht vorbei,
es hatte gerade erst angefangen. Das, vorhin, das war erst der Auftakt gewesen.
Wie ein Schneeball, der einen Hügel hinunterrollt, so gewinnt auch ein Mord an
Eigendynamik.
    Jetzt brauchte er etwas zu trinken. Er
mußte die ganze verdammte Sache aus sich hinausschwemmen. Er konnte nicht ohne
einen Schluck Alkohol nach Hause gehen, wenn ihm das noch im Kopf herumspukte.
Solche Lokale waren doch bis vier Uhr offen, oder? Er ging nur selten einen
trinken. Mit solchen Details kannte er sich nicht aus. Ja, da drüben war eine
Kneipe, auf der anderen Straßenseite. Und sie war weit genug weg, mehr als zwei
Drittel der Strecke von Burroughs zu seiner Wohnung.
    Das Lokal war leer. Das war vielleicht
sogar besser; andererseits, vielleicht auch wieder nicht. Der Mann hinter der
Theke könnte sich später allzuschnell an ihn erinnern. Naja, jetzt war es zu
spät, jetzt stand er schon am Tresen. »Einen Whiskey.« Der Barkeeper hatte
nicht einmal Zeit, sich wieder umzudrehen, da sagte er schon: »Noch einen .«
    Das hätte er nicht tun sollen; es
wirkte verdächtig, das Zeug so schnell hinunterzukippen.
    »Mach das Radio aus«, sagte er nervös.
Das hätte er nicht sagen sollen, das klang verdächtig. Der Barkeeper hatte ihn
angesehen, als er es sagte. Und die Stille war womöglich noch schlimmer. Diese
hämmernden Trommeln der Gefahr. Unerträglich. »Ach was, mach’s wieder an .«
    »Also entscheiden Sie sich, Mister«,
erwiderte der Barkeeper ein wenig vorwurfsvoll.
    Er schien alles falsch zu machen. Er
hätte erst gar nicht hier hereinkommen sollen. Nun, er würde wieder gehen, ehe
er noch mehr falsch machen konnte. »Wieviel?« Er zog den halben und den
Vierteldollar aus der Tasche; das war alles, was er hatte.
    »Achtzig Cent.«
    Sein Magen hob sich einen Zentimeter.
Nicht das Geld! Das wollte er nicht herausholen, man würde es ihm sofort
ansehen. »Ein Whiskey kostet doch überall fünfunddreißig Cent .«
    »Nicht der hier. Sie hatten keine
bestimmte Marke bestellt .« Aber jetzt war der
Barkeeper wachsam, er witterte einen Zechpreller. Er lehnte sich über die
Theke, ihm genau gegenüber, so, daß er jede Handbewegung von ihm sehen konnte.
    Er hätte den zweiten Whiskey nicht
bestellen sollen. Nur wegen fünf Cent mußte er jetzt das ganze Bündel direkt
vor den Augen des Barkeepers herausholen. Und so nervös, wie Paine sich
verhalten hatte, sollte da der Wirt das morgen vergessen haben?
    »Wo ist hier die Toilette ?«
    »Die Tür da rechts hinter dem
Zigarettenautomaten.« Aber jetzt war der Barkeeper ganz offensichtlich
mißtrauisch; Paine sah das an seinem Blick.
    Paine schloß die Tür hinter sich,
lehnte sich mit der Schulter dagegen, knöpfte seine Gesäßtasche auf und blätterte
das Bündel durch, suchte nach dem kleinsten Geldschein. Ein Zehndollarschein
war der kleinste, und auch davon hatte er nur einen, den mußte er eben nehmen.
Er verfluchte sich selbst dafür, daß er hier hereingetappt war.
    Plötzlich wurde die Tür hinter ihm
aufgestoßen. Nicht fest, aber er hatte nicht damit gerechnet. Er stolperte nach
vorn und verlor das Gleichgewicht. Das Geldbündel, das er nur lose in der Hand
gehalten hatte, wurde auf dem ganzen Boden verstreut. Der Barkeeper steckte den
Kopf herein. Er begann: »Ihr Benehmen gefällt mir nicht. Sehen Sie zu, daß Sie
hier ver...« Dann sah er das Geld.
    Burroughs’ Revolver, den er in die
Manteltasche gesteckt hatte, war schon die ganze Zeit hinderlich gewesen. Der
Griff war zu groß, so daß das Futter spannte. Jetzt war er durch den abrupten
Ruck verrutscht. Um ein Haar wäre er herausgefallen. Paine griff danach, um das
zu verhindern.
    Der Wirt sah die Handbewegung und
näherte sich Paine mit einem: »Dacht ich mir’s doch !« ,
das alles und nichts bedeuten konnte.
    Mit ihm war nicht so
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