Das Ferienhaus der Liebe
den letzten Jahren hatten sie sich nur noch ungefähr einmal alle zwölf Monate getroffen und waren sich mit der üblichen Mischung aus Schroffheit, Neckerei und beruhigender Vertrautheit begegnet. Warum empfand sie plötzlich den Wunsch, Simon zurückzurufen?
Polly schüttelte den Kopf. Wieso stehe ich hier und denke über Simon nach statt an Philippe? fragte sie sich und ging ebenfalls ins Haus. Es war nicht besonders amüsant, Drinks zu servieren, aber wenigstens würde sie Philippe sehen, auch wenn sie ihn nur aus der Ferne anhimmeln durfte.
“Was haben Sie sich eigentlich gedacht?” ertönte Martines Stimme, als Polly in den Salon kam.
Polly fuhr zusammen und hätte beinahe das Tablett fallen lassen.
“Oh! Mrs. Sterne”, sagte sie und rettete gerade noch rechtzeitig die rutschenden Gläser. “Ich … ich dachte, ich sehe mal nach, ob im Garten Gäste sind, die einen Drink möchten.”
“Lügen Sie nicht! Sie waren mit Mr. Taverner draußen. Ich habe gesehen, wie Sie ihm nachgegangen sind.”
“Es ist nicht so, wie Sie denken.” Nervös sah Polly ihre Arbeitgeberin an, deren Gesicht weiß vor Wut war. Vielleicht war es doch besser, die Wahrheit zu sagen? “Simon ist hierher gekommen, um mich zu sehen.”
“Um Sie zu sehen?” Martine lachte verächtlich. “Simon Taverner ist an jemand wie Ihnen gar nicht interessiert.”
“O doch! Wir sind befreundet.”
“Ach ja? Er ist ein Freund, der nicht einmal Ihren Namen kennt?
Ein Freund, den Sie nicht ins Haus lassen wollten?”
Polly biss kurz die Zähne zusammen. Martine würde ihr bestimmt nicht glauben, dass sie Simon schon als Kind gekannt hatte - aber was wäre, wenn sie so tat, als würde er ihr viel näher stehen, als es tatsächlich der Fall war? Ja, das war eine Idee! Wenn Martine glaubt, ich würde ihrem kostbaren Simon viel bedeuten, dann beruhigt sie sich bestimmt und ändert ihre Tonart mir gegenüber, dachte Polly optimistisch.
“Er ist eigentlich mehr als nur ein Freund. Er ist mein … mein Verlobter”, erklärte sie mit dem Mut der Verzweiflung.
“Ach wirklich?” Martine klang höhnisch. “Und weshalb würde die Verlobte Simon Taverners eine Stellung als Hausmädchen annehmen?”
Polly schluckte trocken. “Wir … wir hatten einen fürchterlichen Streit”, improvisierte sie rasch. “Ich wollte Simon eine Zeit lang nicht sehen, deshalb habe ich mich um den Job hier beworben, aber Simon hat herausgefunden, wo ich mich aufhalte, und ist mir hierher gefolgt.” Das klang ein bisschen dünn, aber etwas Besseres fiel ihr so schnell nicht ein. “Zuerst wollte ich nicht mit ihm reden”, erklärte sie weiter und gewann allmählich das Selbstvertrauen zurück. “Als Sie vorhin in die Diele kamen, versuchte ich gerade, ihn wegzuschicken.
Ich wüsste ja nicht, dass Sie ihn kennen.” Das wenigstens stimmte.
“Dann hat er mich überredet, mich im Garten mit ihm zu treffen, und wir haben uns versöhnt.”
“Sie sind demnach wieder mit ihm verlobt?” Martine klang völlig ungläubig.
“Ja.”
“Und er ist nach der Versöhnung sofort wieder verschwunden und hat Sie hier allein gelassen?”
“Ja.” Bestimmt hört man mir an, dass ich von meiner Geschichte auch nicht sehr überzeugt bin, dachte Polly. “Simon weiß, dass ich meine Arbeitsverträge immer erfülle und nie von mir aus kündige.
Deshalb möchte ich bei Ihnen bleiben”, fügte sie hinzu, obwohl niemand bei Verstand das glauben würde.
Martine tat es offensichtlich nicht. “Hören Sie auf zu lügen, Sie dummes Ding”, zischte sie.
Pollys Augen funkelten. Normalerweise hatte sie ein ausgeglichenes, sonniges Wesen, aber sie konnte auch aufbrausend sein. Im Moment fiel es ihr schwer, die Beherrschung nicht zu verlieren.
“Fragen Sie doch einfach Simon, ob ich lüge”, schlug sie Martine vor.
Diese nahm die Herausforderung an. “Genau das werde ich tun.”
Simon öffnete gerade die Haustür, da hörte er Martine seinen Namen rufen. Insgeheim seufzend wandte er sich um und wollte sich entschuldigen, dass er die Party so früh verlassen musste. Sie kam zielstrebig zu ihm, Polly hinkte trotzig hinter ihr her.
“Vielleicht können Sie ein kleines Missverständnis aufklären, Simon”, begann Martine und rang sich ein Lächeln ab. Ihre Augen glitzerten noch immer vor Zorn. “Polly hat behauptet, sie sei mit Ihnen verlobt.”
“Das ist die Wahrheit. Stimmts, Liebling?” Polly eilte an Martine vorbei, stellte sich neben ihn und drückte ihm warnend die
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