Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Fest Der Fliegen

Das Fest Der Fliegen

Titel: Das Fest Der Fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
Vom Netzwerk:
bleiben, nur auf einen Kaffee, ich muss den Wagen noch am Flughafen abgeben und habe morgen früh schon wieder eine Sitzung in Berlin. Schade, ich hätte richtig Lust auf Wein und Käse in der Burg, wie damals. Ich habe die Bilder nicht vergessen. Aber es geht nicht.« Dabei sah sie Swoboda an. Wenig später brachte er sie zu ihrem Wagen vor dem Hotel. Er gab ihr die Hand und rang sich zu einer Frage durch. »Mein Gedächtnis ist leider löchrig geworden. Haben wir uns damals nicht geduzt?« Sie lachte. »Ehrlich gesagt weiß ich es auch nicht mehr. Mein Leben hat sich total geändert.« »Die Karriere frisst auf.« »Das ist es nicht«, sagte sie. »Mein Mann hat mich Weihnachten mit der Scheidung überrascht.« »Oh. Das tut mir leid.« »Mir nicht. Nicht mehr. Der Schrecken war ein guter Anfang, auch wenn er das nicht beabsichtigt hatte. Wir können das Du ja beim nächsten Mal beschließen und nicht wieder vergessen. Ich vermute, das wird bald sein. Spätestens nach dem nächsten Mord.« Er blickte ihrem Wagen nach, der in der Brückengasse verschwand. Als er sich ins Haus zurückwenden wollte, sah er den Iren über den Kornmarkt flanieren. Leicester Burton war sommerlich gekleidet, helle Hose, rotbraunes Sakko und ein sonnengelbes Sporthemd. Seine rötlichen Locken schienen im Sonnenlicht zu glühen. Er grüßte von Weitem, beschleunigte seinen Schritt und kam auf Swoboda zu. »Sie schickt mir der Himmel«, rief er, »den ganzen Tag schon denke ich, du musst doch einmal den Herrn Kommissar anrufen, wegen dieser Mühle! Und da stehen Sie vor mir!« Er streckte die Hand aus. »Burton. Leicester Burton.« »Ich weiß, wer Sie sind. Ich weiß nur nicht, warum Sie nach der Mühle fragen.« »Nein, nein, nein! Das können Sie ja gar nicht wissen, lieber Herr Swoboda! Ich weiß, dass Sie der Besitzer sind und dass das Anwesen drüben am anderen Mührufer leer steht. Und ich suche eine Begegnungsstätte für junge Menschen. Genauer: Meine Stiftung Bonanima sucht nach einem solchen Platz.« »Ich verstehe«, sagte Swoboda, man hörte ihm die Ungeduld an. »Sie möchten das Gelände eventuell pachten. Rufen Sie in der Galerie am Neldaplatz an. Frau Matt wird mit Ihnen alles besprechen, was Sie dazu sagen und wissen möchten.« Er wollte sich abwenden, doch Burton legte ihm die Hand auf die Schulter. Swoboda entzog sich. Der Ire zeigte ein breites, freundschaftliches Lächeln.
    »Ich weiß, das kommt jetzt überraschend. Überlegen Sie es sich. Ich würde mir das Mühlenhaus und das Gelände jedenfalls gern einmal ansehen.« »Das müssen Sie auch mit Martina besprechen, ich glaube, sie hat die Schlüssel irgendwo.« »Keine Eile! Überhaupt keine Eile! Und verzeihen Sie bitte meinen Überfall!« Er schnappte sich Swobodas Hand, schüttelte sie, machte einen knappen Diener und schlenderte zur evangelischen Kirche hinüber, lief aber nicht in den nahen Glockenweg, an dem sich das Eingangsportal befand, sondern in den längeren Friedensweg, der hinter dem Turm vorbei zur Wilhelmstraße führte. Der Mann nahm sich Vertraulichkeit heraus und hatte eine aufgesetzte Heiterkeit in seiner Redeweise, die Alexander Swoboda außerordentlich missfiel.

VIII Bildersturm
    Sie kamen einzeln. Keiner lief durch den Ort, wo man die Hauptstraße nach Süden hätte gehen müssen, bis links der Galgenberg abzweigte, um zur Villa Staff zu gelangen. Man konnte dort durch das Gittertor die Auffahrt sehen, hell gekiest, den vorderen Park und die Fassade des herrschaftlichen Hauses, das einst mit großbürgerlichem Prunk beeindruckte. Es hätte einen Anstrich nötig gehabt, war schon unter seinem letzten Besitzer nachgedunkelt und nicht renoviert worden. Wäre es hell gewesen, hätte es mit seinem Walmdach aus glasierten, ochsenblutroten Ziegeln Leben und Wohlstand ausgestrahlt. So aber stand die Villa verdüstert in dem alten Park, und die Gesimse, Vorsprünge, kleinen Kapitelle und dem Barock nachempfundenen Sprenggiebel über den Fenstern und dem tief gezogenen Eingang, die weiß oder gelb gestrichen ein Spiel von Licht und Schatten gewesen wären, wirkten einförmig grau und ohne Kontur, ein totes Gemäuer. Aus der Dämmerung schienen die Gestalten zu tröpfeln, traten einzeln durch die hintere Mauerpforte, zu der man auf einem nicht befahrbaren Pfad gelangte. Er setzte eine alte Fußgängerröhre unter der Bundesstraße fort, die Zungen in den alten und den neuen Teil zerschnitt. Und er mündete, wenn er sich von der Mauer des

Weitere Kostenlose Bücher