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Das Fest Der Fliegen

Das Fest Der Fliegen

Titel: Das Fest Der Fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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verloren. Man sah und hörte, dass sie mit der Stange im Nebel herumstocherte. »Vielleicht ein Orden der Kirche. Oder eine Abspaltung. Oder eine geheime Bruderschaft innerhalb eines Ordens. Oder kein kirchlicher Orden, sondern eine pseudoklerikale Fundamentalistengemeinschaft. Davon gibt es etliche. Alle, die uns bekannt sind, wurden eingehend überprüft. Auch ein Verein für sauberes Christentum VSC, der dauernd Petitionen gegen Blasphemie, Kommunismus, Abtreibung, Schwule und Lesben und so weiter in die Welt setzt und Gotteslästerung mit Gefängnis bestraft wissen will. Nichts.
    Also ist es vermutlich eine Art schweigender Orden, der sich nur zu einem Zweck gegründet hat: zu töten.« Swoboda legte die Ellbogen auf den Tisch. »Na, das ist doch schon mal was. Eine katholische Fanatikergruppe im Untergrund, bisher nicht aufgefallen. Und woher kommt das Gift dieser gottgefälligen Herren?« »Das ist eindeutig«, sagte Lecouteux. »Das Conotoxin stammt von Kegelschnecken aus tropischen Gewässern. Und zwar von verschiedenen Schnecken. Das erhöht die Toxizität. Es ist schwer zu gewinnen. Muss ein Experte sein, der Job ist lebensgefährlich. Die Seewasseraquarien in den europäischen Zoos sind sämtlich überprüft worden. Zwei Wärter und ein Meeresbiologe werden noch beobachtet, aber ich glaube nicht, dass das wirklich eine Spur ist. In der Akte, die wir Ihnen geben werden, sind Fotos der Schnecken. Schön, sehr schön. Aber, wie schon Ihr Dichter Rilke gesagt hat: Das Schöne ist nur des Schrecklichen Anfang.« Dass der Franzose Rilke zitierte, war als Kompliment an die Nation gemeint, bei der er gerade zu Gast war. Michaela Bossi vermutete dahinter die Arroganz des französischen Intellektuellen, der sich in der deutschen Literatur besser auskennt als die Deutschen. Sie gab zurück: »In den Akten steht von Rainer Maria Rilke nun aber gar nichts …« »Trotzdem kein schlechter Satz.« Hiermit hatte sich Kriminalkommissar Törring zum zweiten Mal seit Beginn der Konferenz zu Wort gemeldet. »Wenn ich zusammenfassen darf …« Swoboda sah Klantzammer fragend an, der bereitwillig nickte. »Wir haben wenig, genau gesagt, so gut wie kein brauchbares Indiz.
    Kein wirkliches Täterprofil, allenfalls ein Gruppenmotiv, einen Täter, der nicht mehr aussagen kann und vielleicht hier gelebt hat, obwohl ihn niemand kennt, keinen Versammlungsort, nur die Stoßrichtung des Fanatismus. Das heißt: Wir warten auf den nächsten Mord und hoffen, dass der Täter diesmal einen Fehler macht. Und wenn nicht, warten wir wieder auf den nächsten Mord. Ich kann darin keine gute Methode sehen, jedenfalls keine, bei der ich gern mitarbeiten würde.« »Ich bin sicher, dass der nächste Mord längst beschlossen ist«, sagte Michaela Bossi. Sie hatte ihre Aktentasche, die am Boden stand, geöffnet, zog mit der rechten Hand zwei dünne Mappen heraus, legte sie vor sich auf den Tisch, öffnete sie und richtete sie mittig aus. »Als gefährdet gelten zwei Zeugen aus Edinburgh, ein griechischer Tourist aus Panagia auf der Insel Thassos und ein Ehepaar aus Buenos Aires, das sich offenbar auf Weltreise befindet. Wir haben sie bisher nicht kontaktieren können. Der Grieche, übrigens ein Maler, also ein Kollege von Ihnen, Swoboda, ist wohlauf. Er hat Personenschutz abgelehnt. Angeblich beobachten Kollegen von der nächsten Polizeistation sein Haus. Gefährdet sind nach Ansicht des Teams Rosenkranz bei Europol alle Personen, die öffentlich in Zusammenhang mit Wissenschaft, Kunst, Religionskritik, freier Sexualität, politischen Entscheidungen über Abtreibung, Gentechnik und gleichgeschlechtliche Partnerschaften gebracht werden. Die Experten empfehlen, unsere Gesellschaft aus der Sicht des 16. Jahrhunderts zu betrachten, um herauszufinden, was von den Fanatikern als Gotteslästerung erachtet wird.«
    »Das ist praktisch alles, was zu unserem normalen Leben gehört.« Lecouteux hatte sich nicht mehr die Mühe gemacht, ans Fenster zu treten, bevor er sich eine Zigarette anzündete. Geduldig stand Klantzammer auf, ging zu dem Wandschrank am Ende des Besprechungszimmers und brachte von dort einen Aschenbecher. »Wir haben«, fuhr Lecouteux, ohne sich bei Klantzammer zu bedanken, fort, »auch ein Nachahmerszenario geprüft. Es gibt einen Film aus dem Jahr 1987: Der Mörder mit dem Rosenkranz, in den USA gedreht, The Rosary Murders. Wir haben ihn uns angesehen. Gedreht hat ihn Fred Walton, und Donald Sutherland, wer sonst, spielt einen Priester, der

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