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Das Fest Der Fliegen

Das Fest Der Fliegen

Titel: Das Fest Der Fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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dass er noch nichts gegessen und keinen Kaffee getrunken hatte: Er kannte die Zeichen eines Hörsturzes, und er sehnte sich nach Aspirin und einer heißen Dusche.
    Domingo trat auf die Terrasse hinter der Villa. Er trug einen schwarzen Tuchmantel über dem ebenfalls schwarzen Anzug, einen dunkelgrauen Hut mit großer Krempe, schwarze Lederschuhe. Ein seriöser Herr mit braunem Lederkoffer, bereit, Geschäfte zu tätigen. Als er sich vor dem Abschied von Petrus Venerandus im Spiegel gesehen hatte, fiel ihm sein Aussehen in Almería ein, wo er als Erntesklave in den südspanischen Gewächshäusern wenig mehr besessen hatte als ein schmutziges T-Shirt, löcherige Jeans und Turnschuhe, von denen sich die Gummisohlen abzulösen begannen. So, wie er jetzt ausstaffiert war, waren dort nur die Patrones aufgetreten. Der Großabt hatte ihm die Tickets, Zug nach Düsseldorf, Flug nach Kavalla, mit dem Geld und den Informationen über den griechischen Zeugen überreicht. »Gott schütze dich, mein Sohn, die Heilige Jungfrau und der heilige Michael werden an deiner Seite sein.« Im Augenblick glaubte er nicht, Schutz nötig zu haben. Er war voller Neugier auf die Reise, voller Zuversicht, dass er die nötige Tat, um Maria zu gefallen, ausführen und danach hierher zurückkehren würde. Alle Ängste der letzten Tage, die Furcht, im Exorzismus zu versagen, die Qual, nackt dem Verhör der Brüder ausgesetzt zu sein, war mit einem Mal abgelöst von einer strahlenden Helle in ihm. Auch seine Zweifel hatten sich unerklärlich verflüchtigt, ganz so, als sei er aus einem Albtraum erwacht und endlich wieder in die Gewissheit seines jungen Lebens aufgetaucht. Er holte tief Luft, nahm den Koffer auf und lief zur Pforte. Dort bückte er sich, suchte im Gras am Mauerfuß und fand ein paar Meter weiter den schottischen Langdolch, den er bei seiner Ankunft verborgen hatte. Er sah sich um. Die Glastüren des Refektoriums spiegelten den Himmel und die weißen, fedrigen Wolken. Domingo verstaute den Dolch in seinem Koffer und verließ den Park der Staff-Villa, wandte sich nach links, folgte dem Pfad bis zu der alten Unterführung der Bundesstraße, durchquerte die modrig und nach Hundepisse stinkende Röhre und lief noch einen halben Kilometer nach Zungen-Neustadt, wo er vor dem Restaurant im einstigen Bahnhof ein Taxi fand. Von jetzt an war er ein Reisender namens Vincent Menendez. Zur selben Zeit umarmte der Großabt den Legionär Gian Pietro Carafa. Der Flame war fast einen Kopf größer und deutlich breiter als Leicester Burton.
    »Gute Reise, Bruder Carafa. Verliere ihn nicht aus den Augen, hörst du? Vielleicht ist es überflüssig. Ich glaube nicht, dass er ein Verräter ist. Er hat die Prüfung bestanden. Aber der Teufel ist wendig. Vielleicht musst du ihn töten. Wenn ja, wirf ihn ins Meer. Ohne Kleider, er darf nichts an sich haben. Und gib acht, er hat sich ein langes Messer mitgebracht aus Edinburgh. Ich weiß nicht, warum er es vor uns versteckt hat, an der Mauer im Gras. Aber jetzt hat er es wieder mitgenommen. Also pass auf. Ich erwarte viel von dir. Sei deines Namens würdig! Wir kümmern uns inzwischen um die verurteilte Sünderin. Bruder Domenico de Cupis wird Maria dieses Opfer bringen.« Gian Pietro Carafa verließ das Grundstück auf demselben Weg wie Domingo Idiocáiz, hielt sich aber hinter der Mauerpforte rechts und bog dann links in die Industriestraße ein, die schnurgerade zwischen der Villa der Ungureiths und ihrer Fleischfabrik nach Westen stieß und in die Uferstraße an der Mühr, den Hohenzollerndamm, mündete. Dort hatte er in einer Parkbucht unter den Buchen am Flussufer seinen Wagen abgestellt. Er wischte die gelben und rostroten Blätter vom Dach und von der Windschutzscheibe, wedelte zwei Fliegen vom Rückspiegel an der Fahrertür und blickte, bevor er einstieg, über den Fluss zur alten Mühle auf der anderen Seite. Dass Petrus Venerandus ihm den bürgerlichen Namen des Papstes Paul IV., Gian Pietro Carafa, gegeben hatte, den sie alle verehrten, war nicht die einzige Auszeichnung. Er hatte ihm auch versprochen, dort drüben, wenn erst der Pachtvertrag geschlossen wäre, ein Zentrum der Legio Angelorum leiten zu dürfen. Einen Ort der Marienverehrung. Einen Orden. Er würde dort Abt sein. Und seinen Brüdern Zucht und Ordnung beibringen, Strenge gegen sich selbst und Gottesfurcht. Dienen in Demut. Aus Freude dienen. Sich dankbar erniedrigen, um Maria zu erhöhen. Carafa stieg in seinen Wagen und nahm als

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