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Das Fest Der Fliegen

Das Fest Der Fliegen

Titel: Das Fest Der Fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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Lieven van Alcke mit belgischem Pass die Verfolgung Domingos auf.
    Wie versteinert saß sie ihm am Tisch gegenüber, seit er vom Tod des Pfarrers gesprochen und sie zu Stillschweigen verpflichtet hatte. Sie sah umher, ihre Augen wanderten ziellos. Die Unruhe übertrug sich auf ihn. Er wartete. Sein Gefühl sagte ihm, dass er jetzt nichts fragen sollte. Eben noch hatte sie sich fachmännisch über die beiden neuen Porträts geäußert, den Zorn des Malers am Sinzingerkopf bewundert, die Zurückhaltung in der Studie des Rentners, der die Frau vermisste, die er erschossen hatte. Und nun, als hätte sie den Pfarrer geliebt, dessen Ermordung Swoboda erwähnt hatte, verstummte sie, atmete kaum mehr. Sie erinnerte ihn an Menschen im Verhör, kurz bevor sie eine ungeheuerliche Tat gestanden und selbst nicht mehr wussten, wie sie dazu fähig gewesen waren. »Geht es dir wieder besser?«, fragte sie. »Ja, ja, war nur ein kleiner Hörsturz. Wenn überhaupt. Zu wenig Schlaf, das ist alles.« Martina schien sich vor etwas zu ducken und mühsam, als ob sie die Worte herauswürgen müsste, sagte sie: »Ich bin schuld an seinem Tod.« Swoboda schloss kurz die Augen, streckte die Hand flach auf dem Küchentisch aus und sagte, ohne noch irgendetwas zu wissen: »Das bist du nicht.«
    Sie sah die Farbränder unter seinen Fingernägeln. »Du weißt nicht, was ich getan habe.« »Dann erzähl’s mir. Kaffee?« Sie nickte und entspannte sich, sah ihm zu, wie er zur Küchenzeile ging und die Maschine bediente. »Er wäre vielleicht noch am Leben, wenn ich begriffen hätte, was er mir sagte. Stattdessen habe ich ihn zu Klantzammer geschickt! Ich wollte doch nur, dass du in Ruhe malen konntest …« »Langsam. Bitte ganz langsam.« Er brachte die zwei Tassen zum Tisch und setzte sich Martina gegenüber. »Du hast also mit ihm gesprochen. Wann?« »Gestern Nachmittag. Er wollte mit dir reden, ich habe gelogen, du seiest nicht da, verreist, er hat mir nicht geglaubt und mir das Geständnis gezeigt.« »Er hat ein Geständnis geschrieben? Warum?« »Nein!« Martina stöhnte und legte sich die Hände an die Schläfen. »Ich hätte ihm wenigstens deine Handynummer geben sollen. Aber du hattest endlich die Gesichter wieder im Kopf, du hast sie endlich wieder gesehen, du hast sie gemalt, und er hätte dich –« »Okay«, sagte Swoboda. »Hätte, wäre, wenn: Das lassen wir. Ich will nur wissen, was tatsächlich geschehen ist.« Sie zwang sich, Schritt für Schritt zu erzählen. Er hörte angespannt zu und lehnte sich vor, als sie berichtete, wie Schnaubert ihr den Zettel zum Lesen überlassen hatte. Er unterbrach sie nicht. Kriminalistische Routine: War jemand so weit zu gestehen, konnte jede Zwischenfrage den Redefluss stoppen, Zeit für Besinnung schaffen und die Gedanken auf einen Widerruf des Geständnisses lenken.
    Martina wusste, dass er von ihr Genauigkeit erwartete. »Es begann mit Ich, Engelslegionär Ranuccio Farnese, bekenne . Diesen seltsamen Satz weiß ich auswendig. Dann kam, dass er eine Frau von einem Theater in Brünn umgebracht hat. Auf Befehl. Irgendwas stand da von Inquisition auf Latein.« »Inquisitio Haereticae Pravitatis …« »Du kennst das Geständnis!« »Leider nicht«, sagte er. »Du musst mir bitte jedes Wort wiederholen, an das du dich erinnerst.« Er holte einen Zettel und begann zu notieren, was sie sagte. Sie hatte den Text mit so viel Widerwillen angesehen und so voller Entsetzen gelesen, dass sie möglichst wenig davon behalten wollte. Jetzt konnte sie sich noch an einzelne Fakten erinnern. »Den Mord an der Lehrerin in Valmont hat er gestanden! Mir fiel ein, was du davon erzählt hast, und jetzt las ich das Geständnis des Mörders. Ich fühlte mich so schwach, ich wollte aufhören zu lesen, aber dann kam meinem Leben ein Ende setzen , er schrieb von ewiger Verdammnis und noch ein Gebet, ich glaube zur Jungfrau Maria. Unterzeichnet hatte er nicht mit Ranuccio Farnese, sondern mit Ferdinand Munkert.« »Munkert, wie man’s spricht?« »Ja, ich glaube ja, Munkert. Ferdinand. Wenn ich gewusst hätte, glaub mir –« Er sah von seinen Notizen auf. »Du hast dir nichts vorzuwerfen. Er hätte mit diesem Brief sofort zur Polizei gehen müssen.« »Aber es war eine Beichte! Oder so ähnlich wie eine Beichte, hat er gesagt. Er wollte nicht mit einer Beichte an die Öffentlichkeit.«
    Swoboda war wütend. Er war wütend auf sich selbst, seine Erinnerungsstörung, auf seine Malerei, er war wütend auf Martina und auf

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