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Das Fest Der Fliegen

Das Fest Der Fliegen

Titel: Das Fest Der Fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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der Engelslegion als pdf-Datei. Er druckte sie aus. Als er damit zu Swoboda kam, fragte der: »Ist das der Text? Bossi hat es mir per SMS angekündigt. Jetzt sind wir offenbar in einer neuen Stufe des Terrors. Und vielleicht der Nervosität. Endlich Bewegung.« Am Abend aßen sie auf Empfehlung von Olga nicht weit von der Platia unter den Weinranken des Restaurantgartens von Christina , die nach den Gigantes – Swoboda lobte die dicken weißen Bohnen überschwänglich – Ziegenbraten vom Spieß brachte, dazu Krautsalat und frisches Brot, und jeden Gang in einem so aufdringlich rheinischen Dialekt kommentierte, dass Rüdiger Törring fragte: »Wo sind wir hier eigentlich? Ich dachte, das sei Griechenland, aber hier sind auf engstem Raum die deutschen Landsmannschaften versammelt, oder?« »Iss die Ziege«, sagte Swoboda und tupfte sich mit der Serviette das Fett von den Lippen, »die kriegst in keiner deutschen Wirtschaft so. Die Wirtin ist vielleicht aus Düsseldorf, die Ziege ist von hier.« Von der Flasche weißem Kritikos hatte Törring nur eineinhalb Gläser getrunken. Ungefragt brachte Christina eine zweite. Törring bestellte Wasser. Die Wirtin verwies auf den Trinkbrunnen einige Meter weiter an der Platia, lachte und beugte sich beim Einschenken unnötig weit vor, sodass Swoboda an ihrem Dekolleté nicht vorbeisehen konnte. Ohne dass sie ihn bestellt hätten, kam griechischer Kaffee und dann Tsipouro. Swoboda hielt diesen aus weißem Traubentrester und Feigen gebrannten Schnaps, der mit Anis aromatisiert war, für sehr gut trinkbar. Turbo schüttelte sich. Er sah zu, wie sein einstiger Vorgesetzter in seinem Glas beide Schnäpse zusammenschüttete, sehr wenig Eiswasser dazugoss, das milchige Getränk langsam in sich hineinlaufen ließ, und er ahnte, dass er in dem Zimmer neben Swoboda kein Auge zutun würde. Die Nacht verlief wie erwartet. Swoboda schnarchte das Hotel nieder. Und sein ehemaliger Assistent, längst selbst Kriminalhauptkommissar, wagte nicht, mit der Faust an die Wand zu schlagen.
    Gian Pietro Carafa erwachte, öffnete die Augen noch nicht, spürte die Sonne auf seinen Augenlidern, hörte das Meer und bemerkte erst jetzt, dass er ausgefroren war. Er erinnerte sich. Nach dem Gebet in der Kirche hatte er das Zimmer gekündigt, seine Reisetasche gepackt, im Kafenion an der Platia gewartet, bis ein Bus nach Chrissi Ammoudia kam. Dort hatte er in einem kleinen Laden an der Straße, in dem es von der Luftmatratze bis zur Frischmilch alles gab, was der Tourist brauchen kann, ein Weißbrot, Tomaten, zwei Flaschen Bier, eine kleine Flasche Tsipouro und zwei Packungen eingeschweißte Salami gekauft. Er wollte die schwerhüftige Ladenbesitzerin nach einem Schlafsack fragen, kannte das englische Wort dafür nicht und spielte pantomimisch das Einsteigen und das Zuziehen des Reißverschlusses, bis die Frau, die ihm gespannt zugesehen hatte, laut lachend sagte: »Schlafsack!« Sie gackerte das deutsche Wort triumphierend heraus, lief in den aus Brettern und Wellblech ans Haus angebauten Lagerraum und brachte bald darauf eine groß geblümte Steppdecke, die man mittels eines umlaufenden Klettverschlusses zum Sack verwandeln konnte. Ein chinesisches Fabrikat, nicht wetterfest, vielleicht auch nicht brandneu, doch er kaufte sie. Er wagte es nicht, ein Hotel oder eines der Strandrestaurants zu betreten, aus Angst, Domingo zu begegnen. In der Marienkirche von Panagia hatte er keine Botschaft der Jungfrau erhalten. Vielleicht würde er sich unter freiem Himmel klar darüber werden, was er morgen tun sollte. Im Schutz der Dämmerung hob er sich am Strand eine der dort aufeinandergeschichteten, mit Plastiknetz bespannten Aluminiumliegen von einem Stapel und richtete sich unter einer Platane für die Nacht ein. Es wurde kühl. Er zog den einzigen Pullover an, den er mitgenommen hatte, darüber den Anorak, legte die Steppdecke auf die Liege und seine Reisetasche darunter als Kopfkissen zurecht. Nachdem er gegessen und die zwei Flaschen Bier getrunken hatte, fühlte er sich schwer und ruhig genug für die Nacht. Den Schnaps rührte er nicht an. Er deckte sich zu, presste den Klettverschluss an der Seite bis zu seiner Schulter hoch und blickte auf zu den Sternen über dem Meer. Es war Neumond. Keine strahlende Erscheinung kam auf ihn zu. Kein Mariengesicht. Doch im Halbschlaf wurde ihm bewusst: Was immer morgen geschehen sollte – er konnte Domingo nicht töten. Das war auch sein erster Gedanke, als er erwachte und die

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